... also am 19. Oktober 1913, wurde in Wien im Beisein Seiner Kaiserlichen und Königlichen Apostolischen Majestät, Franz Joseph I, das Wiener Konzerthaus mit einem Festkonzert des Wiener Concertvereins (der heutigen Wiener Symphoniker) eröffnet, und zwar mit zwei Werken, die quasi als Symbole für das »Alte« und »Neue« in der Musik stehen sollten: von Richard Strauß erklang das eigens für diesen Zweck geschaffene »Festliche Präludium« op. 61, daran schloß sich Beethovens 9. Symphonie. Über letztere braucht man nicht viel Worte zu verlieren — sie darf (auch abseits ihres Mißbrauchs als »Europa-Hymne«) als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Beim »Festlichen Präludium« von Richard Strauss ist es wohl anders — man begegnet ihm eher selten im Konzertsaal, und selbst auf Youtube sind der Aufnahmen nicht überwältigend viele. Eine sicherliche klassische Interpretation des Werkes ist die von Leonard Bernstein mit dem New York Philharmonic Orchestra:
(wer das Werk statt dessen in aufnahmetechnisch besserer Version, dafür mit abgespeckter Orchesterbesetzung und vom Dirigenten wie unter Valium gesetzt hören will — das Qatar Philharmonic Orchestra unter Michalis Economou macht's möglich).
Ohne Zweifel ist das »Festliche Präludium« nicht zu den höchst-inspirierten seines genialen Komponisten zu zählen, auch wenn das Verdikt eines Youtube-Kommentators:
... this empty nonsense is really a terrible example of his work -- it has a sort of masturbatory pomposity that rather typifies the silly megalomania of Imperial Germany on the brink of WWI. The things great artists will do for money!doch ein wenig zu harsch anmutet. Richard Strauss war eben scheints überhaupt nicht damit gesegnet, an Auftragskompositionen zu arbeiten — sie sind ihm eigentlich so gut wie alle eher »danebengelungen«: von den recht banalen Einzugs- und Festmärschen, die der Hofkapellmeister Strauss für Wilhelm II fabrizierte, angefangen, über den eher unsäglichen Taillefer (den er zwar ohne ausdrücklichen Auftrag, aber eben als pflichtschuldiges »Dankeschön« für das Ehrendoktorat der Universität Heidelberg »zusammendokterte«) bis hin zur Olympia-Hymne von 1936 und zur Japanischen Festmusik (1940). Nun, nicht jeder kann eben seiner Muse kommandieren (und das ist vielleicht auch gut so!) ...
Nicht überliefert ist, was Seine Apostolische Majestät damals zu alledem sagten. Vermutlich sein stereotypes: »Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut« (gedacht mag er eher haben: »Mir bleibt doch nichts erspart!«). Kaiser Franz Joseph war bekanntlich eher endenwollend musikalisch begabt ... dennoch wird ihm Beethovens Neunte wohl gefallen haben — aber ob die chromatisch getönten Orchesterwogen eines Richard Strauss seinen Geschmack trafen, darf füglich bezweifelt werden.
Heinz Piontek stellte sich 1973 in seinem Buch »Helle Tage anderswo« (ein stimmiges Bändchen von Reise-Essays) anläßlich einer Wien-Reise, damals in den 60er-Jahren, die Frage, warum die Österreicher so (ich glaube, er schreibt sogar: abgöttisch) an diesem »ordensgeschmückten alten Herrn« hingen, der doch zeitlebens »ohne Fortüne« gewesen sei! Es ist dies schon von einen Österreicher und für Österreicher kaum zu beantworten — Ausländer stehen hier wohl vor einem unenträtselbaren Mysterium.
Noch heute wird, wenn man hierzulande einfach »vom Kaiser« spricht, kein anderer als Franz Joseph gemeint. Seine Frau Elisabeth hingegen wird nie mit derselben Selbstverständlichkeit als »Die Kaiserin« bezeichnet (man sagt »die Sissi«, oder formeller »Kaiserin Elisabeth«), und selbst Kaiserin Maria Theresia wird, trotz ihrer unleugbaren Popularität bis heute, wohl stets »Maria Theresia« (mit oder ohne »Kaiserin«) genannt.
Vor allen Vorfahren und Nachkommen ragt Franz Joseph als »Der Kaiser«, obwohl er genau genommen eben nur ein »ordensgeschmückter alter Herr ohne Fortüne« war, weit heraus an Bekanntheit und Beliebtheit. Bis heute ... oder wenigstens: bis vor einigen Jahrzehnten — bevor die »Generation Geschichtslosigkeit« begann, die über den handelsüblichen Lügen der Zeitgeschichte, die ihr im »Geschichtsunterrricht« eingetrichtert werden, keine Ahnung mehr hat, was auch nur vor hundert Jahren tatsächlich geschah. Beispielsweise die Eröffnung eines Konzerthauses durch einen ordensgeschmückten alten Herrn ...
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