Montag, 1. Juli 2013

»The Criminal N.S.A.«

... betitelte letzten Freitag die »New York Times« einen aufschlußreichen Artikel aus der Feder zweier Rechtsprofessoren. Bemerkenswert daran ist nicht so sehr der Inhalt, obwohl auch dieser — wenigstens für Juristen und überhaupt Menschen, die sich für juristische Fragen interessieren — durchaus lesenwert ist, sondern die Tatsache, daß er in einem »Leib- und Magenblatt« Backaromas erschien, und überaus klar den doppelten Skandal der N.S.A.-Affaire benannte. Deren erster ist natürlich die Tatsache, daß mit letztklassigen, schlichtweg illegalen Juristentricks eines der fundamentalsten Grundrechte der US-Verfassung, nämlich das auf Schutz der Privatsphäre, ausgehebelt wurde, deren zweiter ist im fast völligen Mangel an Protesten in der öffentlichen (bzw. veröffentlichten) Meinung gelegen, nachdem ersterer enthüllt worden war!
THE twin revelations that telecom carriers have been secretly giving the National Security Agency information about Americans’ phone calls, and that the N.S.A. has been capturing e-mail and other private communications from Internet companies as part of a secret program called Prism, have not enraged most Americans. Lulled, perhaps, by the Obama administration’s claims that these “modest encroachments on privacy” were approved by Congress and by federal judges, public opinion quickly migrated from shock to “meh.”

It didn’t help that Congressional watchdogs — with a few exceptions, like Senator Rand Paul, Republican of Kentucky — have accepted the White House’s claims of legality. The leaders of the Senate Intelligence Committee, Dianne Feinstein, Democrat of California, and Saxby Chambliss, Republican of Georgia, have called the surveillance legal. So have liberal-leaning commentators like Hendrik Hertzberg and David Ignatius.

This view is wrong — and not only, or even mainly, because of the privacy issues raised by the American Civil Liberties Union and other critics. The two programs violate both the letter and the spirit of federal law. No statute explicitly authorizes mass surveillance. Through a series of legal contortions, the Obama administration has argued that Congress, since 9/11, intended to implicitly authorize mass surveillance. But this strategy mostly consists of wordplay, fear-mongering and a highly selective reading of the law. Americans deserve better from the White House — and from President Obama, who has seemingly forgotten the constitutional law he once taught.
(Hier weiterlesen)
In diesem unverblümten Ton geht es auch weiter. Wer hätte gedacht, in der traditionell »demokratischen« N.Y.T. einmal so harte, eindeutige Worte gegen ihren Schoko-Prinzen zu lesen zu bekommen:
We may never know all the details of the mass surveillance programs, but we know this: The administration has justified them through abuse of language, intentional evasion of statutory protections, secret, unreviewable investigative procedures and constitutional arguments that make a mockery of the government’s professed concern with protecting Americans’ privacy. It’s time to call the N.S.A.’s mass surveillance programs what they are: criminal.
... schließt der zwar harte, aber keineswegs polemisch gehaltene Artikel mit der verdienten Ohrfeige an die Obama-Administration. »To call a spade a spade« sagt der Engländer (und wohl auch Angloamerikaner). Höchste Zeit, damit im Misthaufen, der sich da »amerikanische Politik« nennt, einmal gründlich umzustechen! Das freilich werden wohl die Amis selber besorgen müssen (was angesichts der Indolenz der breiten Mehrheit der US-Bevölkerung recht unwahrscheinlich ist) — denn die Schwellenländer werden sich die Gunst Amerikas nicht verscherzen wollen, Rußland und China schweigen mit Augurenlächeln, Europa hat teils fleißig mitspioniert (UK), teils ist es ohnehin völlig unfähig, irgendwas auf die Reihe zu bekommen (F, I).

Und Deutschland? Ach, das wird wohl in kriecherischem Selbstmitleid versinken, und sich nur ganz leise darüber entrüsten, daß es von Amerika nur als »Partner dritter Klasse«, dafür aber gleichzeitig als »Angriffsziel« eingestuft wird. Und sich um »verbesserte Beziehungen« bemühen. Und hoffen, durch besondere Unterwürfigkeit vielleicht irgendwann sogar zum »Partner zweiter Klasse« aufzusteigen.

So, wie es ja auch seine Brieftasche bereitwillig für EU-»Partnerländer« herausrückt — die dann Hitler-Bärtchen malen und lockere Scherze am Telefon grölen. Wie es sich seit 1945 eben immer in den Allerwertesten treten läßt, seiner ewigen, unauslöschlichen Schuld bewußt. Denn jedes Aufmucken wäre doch
... gefährlich viel Wasser auf die mentalen Mühlräder vieler Deutschen. Wir zahlen für die anderen und werden dafür gehasst oder ausgelacht: So murren sie immer vernehmlicher in Biergärten, Schützenvereinen und der „Bild“-Redaktion.
... wie Tante »Presse« gleich mahnend den Zeigenfinger hebt.Denn:
Deutschland, Deutschland über alles: Das klingt wahrhaft schauerlich, nicht nur aus den Mündern grölender irischer Banker.
»Schauerlich« — warum eigentlich? Was, bitteschön klänge schauerlicher, als ein englisches »Rule Britannia« oder ein amerikanisches »God's own Country« ...?

3 Kommentare:

  1. Sie müssen doch öfter mal bei mir vorbeischauen ;-)

    Die Logik von Wohlfahrtsstaten und Staten im Krieg ist diesselbe. Wir haben recht und wer nicht unsere Meinung ist, ist unser Feind.

    Wie lang schreiben Sie schon an diesem Blog? Wie oft haben Sie schon "gewarnt"? Wir oft wurden Ihre schlimmsten Befürchtungen noch geradezu übertroffen?

    Alles was ich mir bisher ausgedacht habe wurde erreicht. Von Mises hat das Ganze schon vor fast 100 Jahren geschrieben. Überlegen Sie sich einmal wieviel Staat damals war und wieviel heute?

    Da es keinen dritten Weg zwischen Freiheit und Sozialismus gibt ist es klar wir landen im Schlimmsten Sozialismus und dann gibt es (Bürger)Krieg (Obama auf den Spuren von Lincoln? - warum nicht?)

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  2. ... oder das ganz ausgewogene "Right or wrong – my country!“ („Recht oder Unrecht – es ist mein Vaterland!“)
    (de.wikipedia.org/wiki/Liste_geflügelter_Worte/R)
    Mich hat ja schon immer die partielle Anmesie vieler Intelleller beeindruckt, wenn sie ähnliche Haltungen der deutschen Politik vorwerfen, wo doch tatsächlich der deutsche Objektivitätsfimmel das Alleinstellungsmerkmal unter den zivilisierten Ländern war - leider.

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  3. "Wo liegt das Problem?" fragt Thomas Heck auf der "Achse".

    Das frage ich mich auch. Nur wer blöder oder unfähiger als der andere ist, schimpft auf den anderen. Auch der Schweizer Geheimdienst ist nicht schüchtern. Infolgedessen beklagt er sich auch entschieden weniger.

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