Dienstag, 26. Februar 2013

R.I.P. »Zettel«

Soeben entdeckte ich beim gewohnten nachmittäglichen Surfen auf »Zettels Raum« diese traurige Nachricht:
Zettel ist tot

Viel zu früh, mit Anfang 70, und im siebenten Jahr von ZR, ist Zettel gestern nach sehr kurzer Krankheit überraschend verstorben.

Die Lücke, die er in der liberalen Blogwelt hinterläßt, ist groß, und obwohl die Reichweite von ZR nach seinem Geschmack immer zu gering war, so fehlt ab jetzt im deutschsprachigen Journalismus seine kräftige dissidente Stimme eben doch.

Noch weit schmerzhafter wird die Lücke für jene sein, die ihn geschätzt und gemocht haben, und für die er jahrelang ein täglicher Begleiter, Unterhalter, Lehrer und Diskussionspartner gewesen ist. Es ist erstaunlich, wie nahe einem ein Mensch kommen kann, den man nur in Form von Buchstaben auf dem Bildschirm kennt, und wie sehr sein Los einen dann trifft.

Mein Mitgefühl gehört seiner Ehefrau.

Wo viel fehlt, da bleibt auch viel.
Was auch immer an unterschiedlichen Sichtweisen zwischen seinem — ungleich größeren und einflußreicheren — »Zettels Raum« und diesem LePenseur-Blog bestand, es änderte nichts daran, daß ich ihn und die Arbeit, die in seinem Blog und Forum sichtbar wurde, zutiefst schätzte und respektierte. Wenn auch meine schärfere, polemischere Art der Herangehens nicht nach seinem Geschmack war, so verband uns doch sicherlich eines: der Wunsch nach Befreiung von Sprech- und Denkverboten, die unsere Gesellschaft mit ihrer »political correctness« wie Mehltau zu befallen und abzutöten drohen!

Erst Anfang Februar korrespondierte ich aus Anlaß seines Artikels »Gestern bei Jauch« (4.2.2013) mit ihm und legte ihm zu dieser Frage meinen (zu dem seinen recht unterschiedlichen) Standpunkt dar. »Zettel« schrieb mir umgehend zurück:
Lieber LePenseur,

danke für Ihre Ausführungen. Ja, der Titel meines Artikels war etwas flapsig formuliert. Aber nun steht es da halt so.

Ich möchte Ihnen anbieten, sich wieder im Kleinen Zimmer anzumelden - vorausgesetzt, daß Sie bereit wären, dort etwas von Ihrer Schärfe zurückzunehmen.

Ich schätze Ihre Intelligenz; diese Schärfe nicht.

Herzlich, Zettel
Ein sehr ehrenvolles Anerbieten, dem ich freilich in Kenntnis ebendieser meiner »Schärfe« nachzukommen zögerte, und deshalb zurückschrieb:
Sehr geehrter Herr Professor!

Danke für ihre Antwort, und ebenfalls danke für Ihre freundliche Wieder-Einladung!

Nun, Sie kennen mich ja vermutlich von meinem Blog gut genug, um zu wissen, daß ich teilweise durchaus ruppig und scharf argumentieren kann. Der Beiderhänder liegt mir — trotz einer wohl unbestreitbaren Neigung zum süffig formulierenden Feuilletonismus, die mir in die Wiege gelegt wurde ☺ — offenbar irgendwie doch mehr, als das Fechten mit dem Turnier-Florett mit absichtlich stumpfer Spitze — ich weiß also nicht, ob ich Ihnen meinen Wieder-Einstieg in Ihr Forum wirklich antun sollte! Und die Schmach einer zweiten Sperrung will ich mir ebenso ersparen, wie Ihnen den Ärger, aus dem heraus Sie sie verhängen ...

Das ändert nichts daran, daß (trotz mancher inhaltlicher Differenz, insbes. auf "transatlantischem" Terrain!) Ihr Blog in meiner Blog-Roll bleibt, solange Sie sich nicht dagegen verwehren, und ändert auch nichts daran, daß ich — auch unabhängig davon — Ihren Blog auch weiterhin praktisch täglich besuchen werde, und manchen interessanten Artikel darauf zum Anlaß nehme, selbst ein Problem zu behandeln, und im Gegensatz zum freien Herrn von Guttenberg auch kein Problem habe, die Quelle anzuführen ☺.

Angesichts der Größe Ihres "Kleinen Zimmers" kommt es auf meine Kommentare wohl nicht wirklich existenziell an, und die Gefahr der Versuchung, daß ich mich dann "verzettle" und versuche, auf meinem Blog und in Ihrem Forum gleichermaßen zu schreiben, ist mir einfach zu groß.
[...]

Haben Sie also, bitte, Verständnis, daß ich Ihnen diesbezüglich (wenigstens derzeit) einen Korb gebe. Es ändert nichts an meiner grundsätzlichen Wertschätzung, und, hoffe ich, auch nicht an der (von mir einmal unterstellten) Ihrerseits solchen.

Ich verbleibe

Mit besten Empfehlungen

LePenseur
Auf dieses Mail erhielt ich noch postwendend ein paar kurze freundliche Zeilen, die sich auf meinen seinerzeitigen Rausschmiß aus »Zettels Kleinem Zimmer« bezogen:
Lieber LePenseur,

ja, ich schätze Sie - intellektuell und auch charakterlich. Síe haben damals souverän und fair reagiert. Das hat mich beeindruckt.

Herzlich, Zettel
So kann ich wohl — und das ist mir bei dem Schockartigen dieser Todesnachricht doch ein wenig tröstlich zu wissen — davon ausgehen, daß trotz einiger Reibungspunkte zwischen uns eine gegenseitige Wertschätzung vorlag; eine Wertschätzung, die mir nun auch zusätzliche Verpflichtung ist. Nicht, daß ich nun aus meiner Haut springen müßte (oder auch nur könnte!), und beherrschte Objektivität heucheln wollte, wo mein Blut siedet. Aber mich doch das eine oder andere Mal, wenn ich schon die Hand auf den Griff des Bihänders lege, kurz zu fragen: »Geht es nicht auch weniger polemisch?«

Nein, ein zweiter »Zettels Raum« wird dieser Blog nie werden — aber etwas von dessen umfassender Informiertheit und gelassener Beurteilungsgabe sollte doch spürbar werden. Als »Zettels« Vermächtnis, sozusagen — dem ich mich, ebenso wie viele andere Blogger und Kommentar-Poster, verpflichtet weiß.

Unser aller Mitgefühl gilt natürlich vor allem seinen Angehörigen, die ungleich mehr an ihm verloren, als seine Bekannten (und Unbekannten) aus dem virtuellen Raum des Internet! Ihm selbst möge die Erde leicht sein — einen dezidiert »christlichen« Wunsch hierzu auszusprechen, zögere ich im Hinblick auf sein zu obiger Debatte dokumentiertes Bekenntnis, kein Christ zu sein. Und im übrigen gilt das Wort seines Mitbloggers »Kallias«:

Wo viel fehlt, da bleibt auch viel.

10 Kommentare:

  1. danke. hast du schön geschrieben

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  2. Auch mir wird ein wesentlicher Teil meiner Tageslektüre fehlen. Ein herber Verlust auch dann, wenn man so "liberal" nicht nachempfinden konnte. Allein die tägliche Anregung war es wert.

    Möge er seinen Frieden gefunden haben. R.I.P.

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  3. In der "Kondolenzliste" auf Zettels Blog häufen sich die Eintragungen, und man kann sehen, von welchem Kaliber viele seiner Leser waren: nämlich nicht Monolithen von seinem Schlag, sondern Nullen, denen jetzt die Eins fehlt und die daher wie aufgeregte Hühner durcheinander gackern. Von diesem verlorenen Haufen ist für das, woran Zettel interessiert war, in praktischer Hinsicht rein gar nichts zu erwarten. Diese Leute werden in alle Winde auseinanderlaufen und sich nach kurzem allen Beteuerungen zum Trotz genau da wiederfinden, wo sie ursprünglich hergekommen sind.

    Demgegenüber ist der obige Text der erste vernünftige Kommentar, den ich lese. In ein Grab muß man zunächst einmal hineinschauen und den Anblick aushalten. Dann aber muß man davon etwas mitnehmen und zum Teil seiner selbst machen. Das kann jeder Verstorbene, der etwas für uns geleistet hat, erwarten. Nur dadurch können wir ihm gerecht werden, und nur dadurch ist er auch weiterhin für uns da. Ich fühle aus Ihren Worten heraus, daß Sie ähnliches empfinden und an seinem Tod wachsen wollen. So muß man an diese Dinge herangehen, wenn man nicht als zerknirschtes Elend enden, sondern Glied einer geistigen Kette werden will. Glück auf!






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  4. Lieber Le Penseur,
    vielen Dank für Ihren Nachruf.
    Auch mich hat Zettels Tod sehr erschüttert, obwohl ich Ihn nicht persönlich kannte.

    Ein Irisches Sprichwort bewahrheitet sich wieder mal:
    "Kein Unglück ist so groß, dass es nicht auch etwas Gutes bewirken würde."

    In diesem Fall für mich: Ich bin auf Ihren Blog gestoßen und werde schauen, ob es was für mich ist. Es könnte sein?

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  5. Danke für diesen Blogeintrag. Ich lese (bzw. las) länger schon beide Blogs, Zettel und Le Penseur. Ihren "Rauswurf" damals aus dem Zimmer habe ich bedauert. Weil ich glaube, daß gerade solche Einwände wie die Ihren den Blick noch einmal hätten schärfen und weiten können - über den schon weiten "Zettels-Raum-Horizont" hinaus, den seine Leser so sehr schätzten und in den "etablierten Medien" so schmerzlich vermissen. Nun bin ich froh über das, was Sie hier berichten, darüber, daß Sie beide nicht im Unfrieden auseinander gegangen sind, im Gegenteil!
    Danke, daß Sie das mitgeteilt haben!
    Herzlich, Barbara

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  6. Schade. Dass Zettel futsch is und dieser blasierte Depp der sich fürn grossen Denker hält weiterblogt. Umgekehrt hätte mir gefallen. Andererseits ist LePenseur ja erst 13, also kann noch was aus ihm werden, wenn auch sehr unwahrscheinlich bei dem Ausmass von Hach-was-binich-für-ein-wilder-Haudegen-Narzismus. Aber vielleicht hilft ja irgendwann eine Penisverlängerung auf 12 cm und dann hatters nicht mehr ganz so nötig.

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  7. und wer einen vermutlich so kurzen hat wie du kann lepenseur nicht mal an's bein pinkeln

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  8. @xy:

    Regen Sie sich nicht auf, ich verkrafte derlei Stänkereien schon!

    Der nette »Anonymus« ist möglichereise derselbe, der beim Inselpfarrer zu Zettels Tod die markige Formulierung »Ein Arschloch weniger« fand.

    Naja, jeder wie er kann und wie er glaubt ...

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  9. Lieber Anonymus,

    Stil und Stilkritik ist nicht meine Sache.
    Wenn´s unbedingt nötig ist, kann ich auch Florett. Aber das muss ich schon Tag ein Tag aus in der realen Welt. Zum Ausgleich nehme ich im Netz lieber Axt, Spatha oder Vorschlaghammer. Schwungholen und druff. Je mehr desto besser.
    Der Denker mag das nicht, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen.

    Was mir aber gar nicht gefällt, ist Pöbelei die sich nicht mal die Mühe macht wenigstens so zu tun, als würde ihr Substanz zugrunde liegen.
    Mal schnell die Tür aufmachen, in den Saal kacken und sich ebenso schnell verdrücken – das ist nichts.

    Wenn Sie was zu kritisieren haben, nur zu. Lassen Sie sich nicht aufhalten.
    Aber wenn sich Ihre Beiträge in reinen Beleidigungen und unsubstantiierten Wertungen erschöpfen, wäre es nett wenn Sie das woanders ablassen würden.
    Ich danke für Ihr Verständnis.

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  10. @Volker @Le Penseur

    Der Denker mag das nicht ("Schwungholen und druff. Je mehr desto besser.
    Der Denker mag das nicht, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen.)?

    Ich möchte an dieser Stelle zwei unbestrittene Denker zitieren:

    "Vor einer flachen Stirn gehört eine geballte Faust." - Friedrich Nietzsche

    "Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen." - Georg Christoph Lichtenberg

    "Er schliff immer an sich und wurde am Ende stumpf, ehe er scharf war." - Georg Christoph Lichtenberg

    "Meine Sprache ist allzeit simpel, enge und plan. Wenn man einen Ochsen schlachten will, so schlägt man ihm gerade vor den Kopf." - Georg Christoph Lichtenberg

    Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der uns eine wahrhaftige Streitkultur mehr und mehr abhanden kommt.
    Heutzutage wird gerne über das wie man etwas sagt, also über die Verpackung diskutiert. Der Inhalt der Aussage bleibt dadurch zwangsläufig auf der Strecke.
    Von meinen Gegenern ein aufrichtiges Arschloch zu hören, war mir immer schon weit genehmer, als unaufrichtige Lobhudelei.

    Tucholsky meinte einst dazu, ein zweifelnder Katholik wäre ihm noch immer sympathischer als ein überzeugter Atheist.

    Was wir brauchen, ist eine Rückkehr zu einer wahren Streitkultur.
    Polemik ist eine literarische Kunstform und keine zu verachtende Ausdrucksweise von intellektuellen Bauern, wie das heute so gerne umgemogelt wird. Und zwar auf Initiative der zumeist geistig Unbewaffneten. Dummheit ist eben schick geworden. Und wehe dem, jemanden wird dabei der "Bart versengt", in dieser Welt der verweichlichten Wattebäuschchen-Krieger...

    Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag!

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