Der letzte freiwillig zurückgetretene Papst — lassen wir ein paar Gegenpäpste einmal außen vor — war Cölestin V. Und der wurde bekanntlich heiliggesprochen. Denn die Heiligkeit eines Papstes bezieht sich nicht auf das möglichst langen Aushalten im Papstamt auch bei Gebrechlichkeit und körperlicher Hinfälligkeit (wie es Johannes Paul II geradzu zelebrierte), sondern wohl (auch) auf andere Kriterien: keine Frage, daß Beharrlichkeit im Leiden den für jede Kanonisation erforderlichen »heroischen Grad der Tugenden« konstituieren kann — aber es gibt jede Menge Heiliger, die ohne körperliche Qualen (oder wenigstens mit keinen anderen, als sie im Lauf des Alters mehr oder weniger alle Menschen heimsuchen), zur Ehre der Altäre erhoben wurden. Auch Päpste. Man denke etwa an Pius X — dessen Tod im Donnergrollen der nahenden Stahlgewitter des Ersten Weltkriegs zwar von Tragik umschattet war, dessen Heiligsprechung aber sicher nicht deshalb erfolgte.
Nun, kein Rücktritt ohne behenden Nachtritt ... und auf gewohnt unappetitiliche Weise tritt Dietmar Neuwirth, der allzeit kritikbereite Kirchenreporter der »Presse«, nach:
Benedikt XVI. macht den Weg frei. Zuletzt hatte es den Anschein, dass er sich fast selbst ein wenig im Weg gestanden ist. Da gelang es dem Papst zwar in beeindruckender Weise, manche Erstarrungen und Engführungen der Vergangenheit mit dem Hinweis auf den liebenden Gott zu konterkarieren. In vielem blieb er aber doch ein Gefangener seiner selbst, ein Gefangener seines Amtes, ein Gefangener der diesfalls schwer lastenden Tradition der katholischen Kirche.»Wirklich verstanden« dürfte offenbar auch Herr Neuwirth nicht haben, was die Funktion eines Papstes ist. Ihn als Grüßaugust von »Wir sind Kirche« zu erhoffen, mag der Erwartungshaltung besagten Herrn Neuwirths (und wohl der gesamten zeitgeistigen Journaille, insbesondere des deutschen Sprachraumes, und vieler, allzu vieler Funktionäre des Gremialkatholizismus) entsprechen, aber wohl nicht der Realität.
Benedikt XVI. macht den Weg also frei zumindest für die Chance eines von vielen so sehnsüchtig erhofften neuen Anfangs in der katholischen Kirche. Er macht den Weg nicht zuletzt auch frei für eine dringend erforderliche Neuorganisation der Vatikanischen Kurie, die von immer unverhüllter geführten Diadochenkämpfen, zuweilen homoerotisch motivierten Intrigen und von Korruption schwer gebeutelt war.
Er macht den Weg frei für eine neue Form der Kommunikation mit der „Welt". Denn wirklich verstanden hat der 86-Jährige diese Welt offenbar nicht mehr. Er sieht sich angesichts schwindender körperlicher Kräfte gezwungen zu resignieren. (Hier weiterlesen)
Wer — wie LePenseur — der katholischen Kirche zwar weltanschaulich durchaus mit deutlicher Distanz — aber eben auch ohne naß-forsche Distanzlosigkeit! — gegenübersteht, wird derlei Häme nicht goutieren. Die Qualität eines Charakters offenbart sich am erhellendsten im Umgang mit dem (wirklich oder vermeintlich) überwundenen Gegner ...
Was immer Papst Benedikt XVI letztlich zur Resignation veranlaßt haben mag: es stünde Leuten wie Dietmar Neuwirth nicht schlecht zu Gesicht, einmal darüber nachzudenken, daß es vielleicht (oder gar wahrscheinlich?) Leute ihres Schlages sind, die ihn resignieren ließen.
Über die ethnische Herkunft des Nachfolgers werden in Internetforen bereits Wetten abgeschlossen:
AntwortenLöschenEin Schwarzafrikaner?
Ein Südamerikaner?
Der gebürtige mosaische Mitbürger Kardinal Lustiger hat gute Chancen - aber ist seine Haut dunkel genug?
Fragen über Fragen.
Ach lieber Denker, Sie schreiben so schön:
AntwortenLöschen"...einmal darüber nachzudenken, daß es vielleicht (oder gar wahrscheinlich?) Leute ihres Schlages sind, die ihn resignieren ließen."
Sind Sie sicher, daß diese Leute dann - wenn sie dächten - nicht sogar stolz wären?
Ja, mit Lustiger wäre es lustig geworden - schade dass er nicht mehr lebt..
AntwortenLöschen@dilettantus in interete:
AntwortenLöschenDoch, bin ich mir sogar ziemlich sicher. Doch sollte man ihnen das mal auch unter die Nase reiben ...