Donnerstag, 7. Februar 2013

Eigentlich mag ich Annette Schavan noch weniger als Michael Klonovsky

... aber (und ohne mich da als supermoralischen Objektiven aufpudeln zu wollen) sowas hat mich noch selten davon abgehalten, für jemanden in die Bresche zu springen, wenn ich ihn unfair behandelt wähne. Was nicht heißt, daß dieser mein Eindruck immer richtig sein muß (ich bin, auch wenn ich mir manchmal diesen Eindruck zu geben weiß, nicht unfehlbar) ...

Nach dem Fall von Guttenberg und dem (vorläufig, wenigstens) Nicht-Fall von Koch-Mehrin nun also der »Fall« Annette Schavan. Interessant dabei ist, daß ein im Fall von Guttenberg unnachsichtig mit diesem ins Gericht gehender Blogger-Kollege »Zettel«, im Fall Schavan eine doch deutlich andere Einschätzung erkennen läßt.

Doch auch Andreas Unterberger, ein österreichischer Doctor juris der ganz alten, nämlich der Thun-Hohenstein'schen Studienordnung, daher dissertationslos »nur« nach drei (etwas ekelhaften) Staatsprüfungen und drei (noch etwas ekelhafteren) Rigorosen promoviert, und somit in der angenehmen Position, keine bangen Blicke in eine dissertierende Vergangenheit werfen zu müssen, kommt zu einer weise zurückhaltenden Wertung:
Wer vor mehr als zehn Jahren einen Raubüberfall begangen hat und nicht rechtzeitig erwischt worden ist, kommt heute straffrei davon, auch wenn er den Raub offen gesteht. Wer vor mehr als drei Jahrzehnten an der Universität abgeschrieben hat, wird hingegen mit der Höchststrafe belegt. Nämlich mit der sozialen Ächtung, dem nationalen Gespött und der möglichen Vernichtung einer Existenz. Der deutsche Rechtsstaat muss sich in seiner gegenwärtigen Fassung den gewaltigen Vorwurf machen lassen, völlig verzerrt zu agieren. (Hier weiterlesen)
Anders »Zettel« findet Unterberger allerdings auch differenzierende Worte über die hinterfragenswerte Rolle Merkels in den beiden — aufs erste Hinsehen doch so ähnlichen, oder eben, aufs zweite Hinsehen »Zettels«, vielleicht völlig anders gelagerten — Fällen:
Politisch spannend wird aber die Reaktion von Angela Merkel, die Schavan vorerst im Amt belässt. Ist auch ihr bewusst, dass sich die Sichtweise auf das Thema gewandelt hat? Wagt sie es deswegen, eine Woche lang böse Medienkommentare zu schlucken, bis die Meinungsumfragen mit Sicherheit zeigen werden, dass die Deutschen das mehrheitlich ganz anders sehen als die Leitartikler?

Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Wenn Schavan wirklich auf Dauer bleibt, dann wird Guttenbergs Abgang in einem völlig neuen Licht stehen. Er wird dann an oberster Stelle in der Liste jener Männer stehen, die Merkel als politische Konkurrenten gezielt gemordet hat. Schavan hingegen ist für sie keine Konkurrentin, sondern eine harmlose Verbündete, die weiterleben darf. Auch keine angenehme Perspektive für die Bundeskanzlerin.
Man kann also davon ausgehen, daß die Schavan-Geschichte vom linken Medien-Mainstream ebenso wie die lächerliche Brüderle-»Affaire« wohlwollend (aber sicher nicht für die beiden Genannten!) am steten Köcheln gehalten wird, um so doch noch Rot/Grün herbeischreiben zu können.

Mit anderen Problemstellungen als dem, wie man möglichst bald wieder zu einer dezidierten Linksregierung in Deutschland kommt (denn im Effekt betreibt auch die CDU längst eine linke Politik, und auch die FDP humpelt ihr, etwas fußmarode, hinterher), scheint sich die Systempresse nicht beschäftigen zu müssen. Wozu sich mit lästigen Recherchen über das ESM-Desaster, das Berliner Flughafen-Desaster, das Energiewende-Desaster oder das Stuttgarter Bahnhofsdesaster (Aufzählung beliebig fortsetzbar) die Fingerchen schmutzig machen, wenn all das doch den vorgefaßten Ideologiekonzepten der Medienredaktionen entgegenläuft! Da ist es doch viel einfach, eine große Flasche Moralinsäure über ein Gespräch an einer Hotelbar oder eine verschimmelte Dissertation auszugießen, und den ganz großen Zeigefinger mahnend zu heben — wie es ein Heribert Prantl in der »SZ« tut, der sich noch als betont milder Tugendrichter gerieren möchte, indem er schreibt:
Den Entzug des Doktortitels kann man daher als unverhältnismäßig bezeichnen. Ihr Rücktritt als Wissenschaftsministerin wäre gleichwohl gut und verhältnismäßig. Eine Wissenschaftsministerin, die bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit geschlampt oder geschummelt hat - das ist ja fast so, als ob der Papst sich einst seine Priesterweihe erschummelt hätte. Schavan sollte ihren Dr. phil. (neben den vier Ehrendoktortiteln, die sie hat) behalten und auch in der Politik bleiben dürfen - aber nicht als Wissen­schafts­ministerin. (Hier weiterlesen)
»Zettel« findet darauf die richtige Antwort:
Und Heribert Prantl, der sich diesen Quark ausgedacht hat, sollte bei der SZ bleiben dürfen, aber als Bürobote.


2 Kommentare:

  1. Bei der ganzen Kampagne gerät völlig in den Hintergrund, daß es sich bei Schavans Dissertation nur um eine popelige Doktorarbeit in einem Laberfach handelt. Würde man die Maßstäbe, die plötzlich für Schavan gelten, für alle "Doktor"arbeiten anwenden, dann müßten fast 90% der Titelträger auf ihren zweiten Vornamen verzichten.,

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  2. Heutige Politiker haben ohnehin den Wert und das Lebensrecht von Krätzmilben, eher noch von Schimmelpilzen, also, was soll's.

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