Sonntag, 24. April 2011

Risus paschalis

Das »Osterlachen« ist ein altehrwürdiger Brauch zum Ostersonntag. Um die Freude der Pfarrkinder über das Osterfest recht sinnfällig »anzufeuern«, wurden früher eben nicht bloß Osterfeuer entzündet, sondern von der Kanzel aus deftige Späße ins Kirchenschiff gesandt, daß kein Auge trockenblieb. In »aufgeklärten«, jedoch insbesondere in den prüden Zeiten des Viktorianismus geriet dieser jahrhundertealte Brauch außer Übung und wird nur in spaßesfrohen Gegenden des Rheinlandes auf das Faschingsende vorverlegt — und oft mehr als unpassend ausgeführt. Nun ja, deutscher Humor ...

Eine moderne Form von »risus paschalis« (für die Lateinverächter sei hinzugesetzt, daß sich »paschalis« nicht wie ein türkischer »Pascha«, sondern wie »pas-cális« ausspricht) wurde bei mir von einem Artikel auf der Titelseite des Wochenend-»Standard« ausgelöst. Da wird u.a. eine vom »Standart« beim Market-Institut in Auftrag gegebene Umfrage unter Österreichern kommentiert (bei deren Ergebnissen man freilich nicht recht weiß, ob statt des »risus paschalis« nicht ein Verweilen bei den »lamentationes« des Karfreitags angebrachter wäre). Allein die Fragestellung ist von beeindruckender Hirnrissigkeit:


Was, bitteschön, kann eine Antwort, ob eine Organisation sich »genug« gegen Atomkraft in Europa engagiert, über die »Glaubwürdigkeit« dieser Organisation aussagen? Ich glaube z.B. unbesehen, daß sich der Tabellenführer Greenpiss mehr als genug gegen Atomkraft engagiert — nur halte ich die Glaubwürdigkeit dieser Organisation für etwa so groß die von Politikern oder Heiratsschwindlern.

Daß die Umfrage ganz offensichtlich auf der Aussagekraft von »Glauben Sie, daß Kate Middleton und Prince William miteinander glücklich werden?« (also beim sprichwörtlichen »Kaffeesud-Lesen«) angesiedelt ist, erhellt sich aus weiteren Informationen, die »Der Standard« stolz dazu zu vermelden weiß:
Auffallend ist, dass vor allem Frauen besonders große Folgen der Tschernobyl-Katastrophe auf unser Land wahrnehmen: 25 Prozent der Österreicherinnen sehen "sehr große Auswirkungen", weitere 49 Prozent nennen die Auswirkungen "groß". Nur 24 Prozent der Frauen, aber 35 Prozent der Männer sehen weniger bis gar keine Auswirkungen des Kernkraftunfalls auf Österreich. Wenig überraschend ist, dass die Auswirkungen von Grün-Wählern besonders hoch eingeschätzt werden.
Überraschung! Wer hätte sich denn sowas gedacht! Drei Viertel der befragten Frauen sehen also »sehr große« bzw. »große Auswirkungen« — und keiner fragt, welche diese denn sein sollen? Gerade der Mund der GrünInnen unter den Frauen müßte doch geradezu übergehen ob des, wes ihr Herz voll ist.

Irgendwie ist es schade, daß Umfragen erst in den letzten Jahrzehnten in Europa zur Mode geworden sind. Bei einer Umfrage in den 1930er-Jahren wäre bei ähnlich luzider Fragestellung, wie z.B. welche Auswirkungen jüdische Spekulanten auf den Wirtschaftskrach von 1929 gehabt hätten, eine Dreiviertelmehrheit von »sehr groß« und »groß« herausgekommen. Ob deshalb freilich der Schluß zulässig ist, daß eine Organisation wie die NSDAP, die sich gegen jüdische Spekulanten engagierte, deshalb als besonders glaubwürdig einzustufen sei? Dagegen hätte ich freilich Bedenken ...

Aber, so wird mir sicher seitens gutmenschlicher Antifanten & GrünInnen hyperventilierend entgegengestammelt, ich könne doch nicht eine Organisation wie Greenpeace mit der NSDAP vergleichen. Nun — das tue ich auch nicht. Ich vergleiche vielmehr hirnlose Fragestellungen und ebensolche Umfrageergebnisse. Nie käme es mir in den Sinn, eine ideologisch verblendete Organisation von fanatischen Ökofetischisten mit einer ideologisch verblendeten Organisation von fanatischen Rassenfetischisten zu vergleichen. Nie! ... außer, Greenpiss wandelte in Zukunft auf den Spuren von Gene Hashmi.

Immerhin versöhnt uns »Der Standard« noch mit einem vernünftigen Interview mit Hans Blix, früher schwedischer Außenminister und danach IAEO-Chef. Trotz seiner etwas trocken-technokratisch wirkenden Antworten kommt der »risus«-Faktor nicht zu kurz: und zwar in den gar köstlichen Leserkommentaren, die sich darüber erbosen, daß Blix Roß und Reiter benennt — wenn er z.B. darauf hinweist, daß unter allen Formen der Energieerzeugung die Kernenergie deutlich risikoärmer ist als die allermeisten anderen. Im Moment (Ostersonntag, 22 Uhr) halten wir bei 616 Postings. Wenn das so weitergeht, kann sich »Der Standard« eine teure Market-Umfrage ersparen, einfach die Postings zählen und als Ergebnis verkünden: »25% der LeserInnen halten Blix für einen sehr großen, weitere 49% für einen großen Trottel«. Was an Aussagekraft sicherlich nicht merklich hinter der obgenannten Market-Studie zurückliegen dürfte ...

4 Kommentare:

  1. Bekanntlich lebe ich in einer Gegend, die der Denker als Piefkotistan zu bezeichnen pflegt; und zwar nah der Oder-Neiße-Friedensgrenze.
    Handgeschätzt habe ich 10 Jahre marxistisch-leninistische Bildung genossen. Aus dem Stand konnte ich Fragen beantworten wie etwa:
    „Warum ist der Sozialismus dem Kapitalismus überlegen?“
    „Wie können wir den Sozialismus noch attraktiver machen?“

    Unerklärlicherweise hat dann vor 22 Jahren das bessere Deutschland ein wenig geschwächelt, was unsereinen in eine tiefe Glaubenskrise stürzte.
    Haben uns die Lehrer belogen?
    Oder ist gar der S dem K doch nicht überlegen?

    Mir fiel regelrecht ein Stein vom Herzen, als vor etwa zwei Jahren die Leser von der WELT gefragt wurden, ob Zensursulas Zensurpläne gut sind oder ob noch mehr gegen KiPo getan werden muss.
    Da war die Welt wieder heil, und ich glaube mehr als je zuvor:
    Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf.

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  2. @Volker:

    Pardon, wenn ich Sie korrigiere: »Piefkonistan« müßte meine liebevolle Bezeichnung Ihrer Heimat lauten.

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  3. Grrrrr.
    Wie oft habe ich mir vorgenommen, nicht mehr aus dem Kopf zu zitieren?!
    Sie haben Recht, »Piefkonistan« ist richtig.

    Aber der Sozialismus siegt trotzdem!

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  4. Nun freßt mich, aber ich fände einen Ständestaat mit Sklaverei so übel nicht. Wer sich zum Beispiel für DSDS, Bick Braffer oder Dschungelkämp ernsthaft interessiert, sollte in einen Zustand minderen Rechtes versetzt werden. Bei verbaler Aufsässigkeit sollten entehrende Leibesstrafen "drin sein", bei offener Aggressivität Eingriffe, welche die Arbeitsfähigkeit erhalten, die Kampffähigkeit aber signifikant mindern (Sage von Wieland dem Schmied).

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