Montag, 27. Dezember 2010

Sarrazin und der Gärtner

Während das Jahr 2010 allmählich seinem Ende zugeht erhebt sich die Frage: wen oder was wird die Zukunft mit »2010« verbinden? 2008 war es die Sub-prime-Krise, 2009 fraglos »Yes we can«-Backaroma — und 2010 tippe ich (so nicht welterschütternde Vorgänge die letzten Tage des Jahres auf den Kopf stellen) auf

S A R R A Z I N

... und die Folgen. Als da sind gar schreckliche: immer mehr Menschen fragen sich beispielsweise, ob sie Bürger zweiter Klasse im eigenen Land sein/werden wollen. Da kann man nur sagen: Die rechte Saat geht auf. Zeit wird's! Das linke Unkraut überwucherte in den letzten Jahrzehnten ohnehin alles. Und das soll doch jetzt durch ein kritisches Buch, das sich mit diesem Unkraut auseinandersetzt und es in seiner Unkrauthaftigkeit benennt, einfach zu Ende sein?

Wie sehr Sarrazins Bucherfolg die Medienlinken (und gibt es in den Medien andere als Linke?) verstört, merkt man an einem Artikel des Spiegel-Erben Jakob Augstein (laut Eigendefinition »Journalist und Gärtner in Berlin«), der vom Politsatireblog Politplatschquatsch höchst treffend als »Wutbürgerstück« charakterisiert wurde. Und geradezu vernichtend fiel die Kritik in »Zettels Raum« aus (Achtung: der Gärtner und Journalist Augstein hat inzwischen seinen Artikel in überarbeiteter Version ins Netz gestellt — nicht, daß dadurch allerdings die Qualität gewonnen hätte ...):
Es wäre die Mühe nicht wert, diese offensichtliche Unlogik zu kommentieren, wenn es nicht um Sarrazin und um Augstein ginge.

Was Jakob Augstein angeht: Er ist, auch wenn er sich in seinem Blatt kokett als "Journalist und Gärtner in Berlin" vorstellt, Besitzer und Herausgeber des "Freitag". Kaufen konnte er das Blatt, weil er einer der Erben von Rudolf Augstein ist; von diesem gesetzlich anerkannt, obwohl er wußte, daß der leibliche Vater Jakobs sein Freund Martin Walser war.

Immerhin, Jakob Augstein trägt den Namen dieses großen Journalisten. Das sollte eigentlich zu einem gewissen Anspruch an sich selbst verpflichten; zu wenigstens dem Bemühen um journalistische Qualität.
Sollte. Wie jedoch der Artikel des Gartenfreundes und Sarrazinfeindes nur allzu deutlich verrät, folgt aus dem »Sollen« kein »Sein«. Deshalb ist »Zettels Raum« völlig zuzustimmen, wenn es heißt:
Jakob Augsteins Artikel ist indiskutabel, im Wortsinn. Man kann ihn nicht diskutieren, weil er fast nur aus sachlichen und logischen Fehlern besteht; sowie Verbalinjurien gegen Sarrazin und Vorwürfen an die Adresse der FAZ. Wer so etwas schreibt, der disqualifiziert sich als Journalist. Er sollte besser den Beruf des Gärtners zu seinem einzigen machen.
Aber es geht ja nicht um Augstein (wer immer nun sein Vater war), sondern um Sarrazin und das Deutungsmonopol der Linken im öffentlichen Diskurs. Also doch wieder um die Augsteins und die vielen Mini-Augsteine (die man griffiger vielleicht als »Augschotter«, oder gar als »Augsand« bezeichnen könnte) dieser Republik. Und hier herrscht inzwischen Panik. Gott sei Dank!

Der Journalist Peter Fahrenholz von der »Süddeutschen Zeitung« ließ sich gar — entsetzt sich der »Spiegelfechter« — in der Reportage über eine Diskussionsveranstaltung mit Sarrazin in München
...zu dem vernichtenden Kommentar hinreißen, dass “in der Reithalle ein Hauch von Sportpalast [herrschte].“
Was sagt man dazu! Thilo Goebbels kreischt also vor enthemmten Bürgern Münchens ein ekstatisches: »Wollt ihr die totale Musel- und HartzIV-Hetze?«, und die hauchen: »JAAAA!« zurück — oder wie hat man sich denn einen »Hauch von Sportpalast vorzustellen«? Ach, wenn es nicht so traurig wäre ... Und der »Spiegelfechter« setzt noch einen drauf:
“Deutsche Zustände”, so heißt die von Wissenschaftlern unter Leitung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer erstellte große interdisziplinäre Langzeitstudie, die in diesem Monat in ihrer neunten Auflage veröffentlicht wurde. Was Heitmeyer und seine Kollegen über die Befindlichkeiten der Deutschen herausfanden, ist im höchsten Maße alarmierend. Mehr als die Hälfte aller Deutschen fühlt sich ökonomisch bedroht und kanalisiert diese Bedrohung auf zwei Bevölkerungsgruppen – Ausländer und Langzeitarbeitslose. Diese Erkenntnisse sind isoliert betrachtet weder neu, noch sonderlich originell. Die besondere Wirkmacht der Studie geht eher von der Erkenntnis aus, dass fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Vorurteile beileibe keine Besonderheit “bildungsferner Schichten” sind, sondern – ganz im Gegenteil – vor allem in den Kreisen des wohlsituierten Bildungsbürgertums rapide zunehmen.
Deshalb wird's jetzt bedrohlich. Für die Linken. Denn irgendwelches Lumpenproletariat, das auf hammelbratende Türken oder autostehlende Rumänenbanden schimpft, ist nicht wirklich relevant. Die finden, sofern jung und attraktiv, bestenfalls als multipel gepierctes Eye-Candy im Unterschichten-TV Verwendung — aber im öffentlichen Diskurs werden solche Leute »net einmal ignoriert«, wie man in Wien sagen würde. Gefährlich wird es erst dann, wenn die Steuerträger — also all jene leistungsbereiten Angehörigen der Mittelschicht, die sich nicht mit staatlicher Alimentierung begnügen wollen, denen aber die Verhältnisse die Verlegung ihres Wohnsitzes in ein Niedrigsteuerland nicht erlauben — aufzubegehren beginnen. Denn das sind zugleich die, welche über ihre Kaufkraft Nachfrageströme lenken — und z.B. von zu dreist desinformierenden Medien abziehen. Was zu Umsatzrückgängen im Inseratengeschäft führt. Und das ist in Wahrheit, was unsere Meinungsmacher fürchten. Die Wahrheit, um es exakt zu sagen.

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