Mittwoch, 10. Februar 2010

Der Steuerlakai

»Die Presse« weiß heute fürwahr erstaunliches zu berichten:
Der Wiener Finanzrechtler Werner Doralt sieht den Staat verpflichtet, die gestohlene Steuer-CD zu kaufen. Doralt vergleicht die Situation mit folgendem Fall: Ein Mitarbeiter kopiert die gesamte Buchhaltung seines Chefs und übergibt sie den Steuerbehörden, weil er eine strafbare Handlung aufklären will. Dies sei zwar arbeitsrechtlich und zivilrechtlich verboten, dennoch müsste der Staat diese Beweise verwerten, argumentiert der Finanzexperte. Das Beweise auch käuflich erworben werden, sei nichts Neues.

Kaufen, wenn Preis stimmt
Nach seiner Auffassung stellt sich für den Staat bei der Erlangung von Beweismitteln die Frage der Angemessenheit, also wie groß die Bemühungen der Behörden sein dürfen, um an Beweismittel zu kommen. So könnte eine deutlich höhere geforderte Summe für die gestohlene Steuer-CD als die geforderten 2,5 Millionen Euro durchaus dazu führen, vom Ankauf abzusehen, meint der Finanzrechtsexperte.

Moralische Überlegungen nicht angebracht
Nach seiner Ansicht sollte in der Diskussion die Schweiz auch nicht mit moralischen
Überlegungen argumentieren, denn das Land handle "sehr viel unmoralischer" als Deutschland, das die Steuer-CD kaufen will. Immerhin ermögliche die Schweiz durch das Parken von Geldern in Milliardenhöhe Steuerhinterziehung im großen Stil.

Moment, Herr Professor! Bleiben wir doch gleich beim letzten Absatz: da handelt also die Schweiz nach Ihrer Ansicht »unmoralisch«, wenn sie den Bewohnern der Bundesrepublik, welche die Ausplünderung durch diese nicht länger hinnehmen wollen und deshalb ihr Geld in der Schweiz veranlagen, diese Möglichkeit nicht verschließt oder gar sich selbst zum Büttel der deutschen Finanzbehörden macht und sie anzeigt? Obwohl die Schweiz für besagte Finanzerträge kein Besteuerungsrecht besitzt und offenbar auch nicht verlangt, denn sonst würde sie derartige Hinterziehungen wohl selbst verfolgen!

Demnach wäre Österreichs Verhalten »unmoralisch« zu nennen, wenn es z.B. Homosexuelle, die im Iran als Verbrecher aufgeknüpft würden, nicht an diesen ausliefert (obwohl Österreich bekanntlich an derlei Bestrafungen kein Interesse hat) — das wäre nämlich ein völlig korrekt konstruierter Analogfall aus dem Justizressort. Wenn sie das ernstmeinen, dann frage ich mich, ob Ihr Begriff von Moral nicht etwas »eigenartig« zu nennen ist, to put it mildly ...

Doch zurück zur Kernaussage: wer Dorats krauser Logik folgt, der muß es auch für zulässig — nein: erforderlich! — halten, daß die Republik Buchhalter besticht, um an Steuerunterlagen zu kommen. Der muß es auch für zulässig halten, daß die Republik verdeckte Finanzfahnder als Buchhalter in die Firmen einschmuggelt, um an Beweise zu kommen. Oder »Steuerberater«, die aber in Wahrheit im Sold der Steuerfahndung stehen, Klienten »beraten« läßt (samt Mitschnitt von der Bilanzbesprechung). Der muß es auch für zulässig — nein: erforderlich! — halten, wenn die Finanz Scheingeschäfte anbahnt, bei deren Nichtversteuerung die Handschellen klicken.

Der wird dann auch nichts daran finden, wenn andere Ressorts mit kriminellen Mitteln die Rechtsordnung »schützen«. Denn wo liegt der Unterschied zwischen der Belohnung für einen betrügerischen Bankmitarbeiter und der Bestechung eines Rechtsanwaltes, z.B. Beweisanträge in einem für die Staatsanwaltschaft heiklen Fall »leider« falsch zu formulieren, damit sie das Gericht abweisen kann, und sein Mandant in den Knast kommt. Dann ist es auch zulässig, die Kinder in der Schule zum Bespitzeln ihrer Eltern anzulernen, oder Hausmeister, Nachbarn und Berufskollegen als Informanten anzuheuern.

All das hat es schon gegeben — keine Frage! Nur hat man derartige Staaten, zu denen u.a. die UdSSR, Hitler-Deutschland und die DDR gehörten, mit solchen Banditen-Methoden bislang nicht mit dem Begriff »Rechtsstaat« bezeichnet. Es befremdet im höchsten Maß, daß ein Steuerberater, der von seinem Berufsverständnis nicht der Lakai des Finanzamtes, sondern mit der Wahrung des Interesses seiner Mandanten betraut ist, derartige Praktiken nicht bloß unter Protest hinnimmt, sondern sie sogar als erforderlich ansieht!

Der Mann hat irgendwie seinen Beruf verfehlt! Als Informeller Mitarbeiter »IM Fiskus« hätte er in der DDR sicher Karriere gemacht ...

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