Freitag, 15. Januar 2010

»Sie werden langsam wütender und ungeduldiger«

... meinte der Sprecher der UN-Friedensmission in Haiti. Und die selbsternannte Qualitäts-zeitung Österreichs, »Die Presse«, legt ein Schäuferl nach:
Der Fotograf Shaul Schwarz vom Magazin "Time" gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Sie haben angefangen, die Straßen mit Leichen zu blockieren." Er habe in der Hauptstadt Port-au-Prince an mindestens an zwei Stellen Barrikaden aus Toten und Steinen gesehen. "Es wird langsam hässlich da draußen. Die Leute haben es satt, dass ihnen nicht geholfen wird."
"Wut" also. Verzweiflung wäre ja durchaus nachvollziehbar — aber "Wut"?? Bitteschön: worauf bzw. auf wen sind sie wütend — auf den in diesem Falle vielleicht nicht so lieben Gott (quasi das Theodizee-Problem in aktueller Anwendung)? Auf Gaia und ihre Plattentektonik? Auf die generös mißachteten Bauvorschriften? Ihre korrupten Beamten? Die unfähigen Voodoo-Zauberer? In der Tat, auf alles das können sie wütend sein!

Aber doch nicht ernstlich auf "verspätete Hilfe"! Haben sie darauf etwa einen Rechtsanspruch? Wohl kaum. Es ist Mitleid, Humanität, tätige Nächstenliebe, wenn ihnen geholfen wird — ja, und darauf darf man hoffen, es sich wünschen, keine Frage ... aber mit Sicherheit eines nicht: es mit "Wut" einfordern!

Wenn jetzt die Haitianer Hilfeleistungen durch Straßensperren behindern, ist es angebracht, nicht mit Verständnis auf derlei infantile Aktionen zu reagieren, sondern den Leutchen klipp und klar zu sagen: "Wenn ihr so agiert, dann räumt euch gefälligst die Chose selbst zusammen. Sobald ihr vernünftig geworden seid, können wir über Hilfeleistungen reden. Aber erst dann!"

Wetten werden angenommen, daß das nicht geschieht. Sondern der Westen sich für seine pöhse koloniale Vergangenheit selbst geißelt (obwohl Haiti seit den Tagen Napoleons unabhängig ist und demnach als Staat kaum kürzer besteht als z.B. die U.S.A.).

Wetten darüber, daß ein großer Teil der Hilfeleistungen in den Taschen der ebenso korrupten wie unfähigen Politiker- & Beamtenkaste Haitis versickern wird, werden hingegen nicht angenommen, denn nach der Definition von Glücksverträgen im ABGB (welche im § 1267 Abs 1 ABGB als Verträge bezeichnet werden, "... wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteils versprochen oder angenommen wird ...") sind Wetten über mit Sicherheit eintretende Ereignisse schon rein begrifflich nicht möglich.

1 Kommentar:

  1. Vielleicht sollte man die "Wut" nicht überbewerten, sondern sie als aus der (in der Tat nachvollziehbaren) Verzweiflung geboren ansehen.

    Streng genommen gibt es natürlich keinen Rechtsanspruch auf Mitleid, Humanität, tätige Nächstenliebe. Aber in solch extremen Situationen kochen nun mal die Emotionen hoch. Leid kann auch zu Wut führen. Nicht, daß dies Leichen-Barrikaden besser macht...

    Interessanter ist für mich die Frage, wie die Leute in Haiti auf die Hilfe antworten, wenn sie denn dann kommt.

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