Dienstag, 28. Februar 2023

Andreas Unterberger, oder: Der bürgerliche Verrat (Teil 1)

Anders als in früheren Jahren, als Andreas Unterbergers »Tagebuch« noch lesbar war, ist spätestens seit Unterbergers Kurz-Fetischismus und der Bejubelung des desaströsen Covid-Kurses der österreichischen Bundesregierung Kopfschütteln angesagt. Manche — im wahrsten Sinne des Wortes — »ent-täuschte« Leser von A.U. lassen es dankenswerterweise nicht damit bewenden, sondern geben höchst plausible Gründe dafür an, warum sie Unterbergers Tagebuch verlassen haben — wie nachzulesen im folgenden
 
 
Gastkommentar
von Rupert Moser
 
 
Den meines Erachtens bemerkenswertesten Moment seines youtube-Videos, in welchem Manfred Kleine-Hartlage sein Buch: „Warum ich kein Linker mehr bin“ bespricht, stellt die Beantwortung der Frage dar: Warum bin ich überhaupt ein solcher gewesen? Sie besteht in einer despektierlichen wie treffenden Beschreibung der sogenannten, d.h. parteipolitisch orientierten und organisierten Konser-vativen, Bürgerlichen, Christdemokraten, vulgo Schwarzen, denen man es laut dem Autor ansieht, dass sie für ein gutes Geschäft sofort all ihre bürgerlichen, konservativen, christlichen etc. Ideale auf den Markt hauen würden und ihre Großmutter noch dazu, denen kurz und gut und sinngemäß ihre Heuchelei ins vermutlich entsprechend fette wohlstandsbürgerliche Gesicht geschrieben steht. Das wollte ich jedenfalls nicht sein, so Kleine-Hartlage. 
 
Ich kann diesen Gedankengang, schon aus ganz persönlicher Erfahrung, mehr als bloß gut nach-vollziehen. In dieser Beschaffenheit dieser Konservativen, Bürgerlichen… liegt tatsächlich eine beträchtliche Gefahr für junge Leute, auf diverse linke Irrwege zu geraten, die nicht nur attraktiver, sondern vor allem ehrlicher, authentischer wirken. 
 
Wichtig ist zunächst, sich über sämtliche Implikationen von Klein-Hartlages vernichtendem Dictum klar zu werden: Zunächst soll damit ganz generell ein Primat des Ökonomischen über sonstige, insbesondere soziale, ökologische oder kulturelle Bereiche gemeint sein. Bürgerliche Kaufmanns-, sprich Krämerseelen sind nicht nur im Zweifel „für die Wirtschaft“. Infolgedessen befürworten sie in aller Regel Dinge wie möglichst niedrige Steuersätze, möglichst geringe staatliche Ausgaben, möglichst geringe staatliche Förderung für Kunst und Kultur, sofern diese nicht kommerziell oder gar touristisch vermarktbar erscheint wie die Staatsoper oder das Neujahrskonzert, den Bau des Donau-kraftwerkes Hainburg auf dem Boden der Stopfenreuther Au, die Errichtung von Hochleistungsstraßen, weil ‘s die Wirtschaft in Schwung bringt, die Aufweichung des Denkmalschutzes, um ihr barockes Stammhaus zur Schaffung „zeitgemäßer“ Geschäftsräumlichkeiten zu entkernen oder gar abzureißen, oder um ein eher obskures Thema anzuschlagen, auf das wir noch peripher zu sprechen kommen werden: den Abschuss von Wölfen. 
 
Generell tendieren sie dazu, dem extrem dämlichen Wirtschaftsbund-Slogan zuzustimmen: Geht ’s der Wirtschaft gut, so geht ‘s uns allen gut. Dieses primär materiell-ökonomische Denken manifestiert sich nun auf zwei verschiedenen Ebenen: auf jener der Klasse und auf jener der individuellen Person. Die Förderung der eigenen Klasseninteressen wäre per se nicht zu beanstanden, denn diese müssen ja nicht von Haus aus schlecht sein. Allerdings ist dieser Aspekt relativ schwach ausgeprägt, sodass er mitunter ins Hintertreffen gerät. Ungleich wichtiger und wohl ganz zentral für Klein-Hartlage ist jedoch die sozusagen individuelle Dimension: Wahre Krämerseelen werfen alle Ideale und somit auch Klassen-interessen über Bord, wenn ‘s denn für sie persönlich von Vorteil ist. Es wäre natürlich ungerecht, eine derartige Einstellung ausschließlich mit Bürgerlichkeit in Verbindung zu bringen, indes erscheint genuin-bürgerliches Streben nach gesellschaftlichem Ansehen, Profit und Vorwärtskommen für derartige Verwerfungen letztlich doch ein wenig anfälliger zu sein, als es bei anderen Schichten der Fall ist. 
 
Solidarität ist eher kein bürgerlicher Kampfbegriff und Klassenkampf keine bürgerliche Domäne. Wir werden tagtäglich Zeuge der politischen Konsequenzen dieses Umstandes. So sind es vor allem bür-gerliche Wähler, welche sich aus Ansehen um ihre bürgerliche Reputation keinen Mucks zu machen getrauen gegen eine völlig außer Rand und Band geratene, alles und ganz insbesondere die bürgerliche Gesellschaft zerstörende Zuwanderungspolitik, welche bereitwillig die Gendersprache übernehmen, weil das von ihren Vorgesetzten so erwartet wird, die sich im Caféhaus ihrer links-liberalen Gesinnung brüsten und diese nicht einmal in der Wahlzelle mehr ablegen können. Bürgerliche Selbstgefälligkeit über alles: Tut mir leid, die FPÖ/AfD kann ich einfach nicht wählen; ich habe doch mit der FPÖ/AfD nichts zu schaffen… 

Damit wären wir nun endlich bei unserem Thema angelangt. Zunächst scheinen Klein-Hartlages pejorative Stereotypen auf Andreas Unterberger eigentlich nicht oder nur wenig zuzutreffen. Unter-berger wirkt auf ehrliche und authentische Weise stockkonservativ. Seit Beginn seines Wirkens wird er zu den journalistischen Speerspitzen eines politischen wie kampfbereiten Konservativismus gezählt, bei dem es sich jedoch, wie zu zeigen sein wird, um eine relativ subtile Art jenes von Klein-Hartlage skizzierten Pseudokonservatismus handelt.
 
Unterberger ist Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und des Clubs unabhängiger Liberaler. Von 1973 bis 2004 war er Redaktionsmitglied der Tageszeitung Die Presse, zunächst ein Jahr im Lokalressort und ab 1974 als außenpolitischer Redakteur. Zudem war er vier Jahre verantwortlich für die „Seite 3“ und fünf Jahre Chef vom Dienst. Von 1984 bis 1995 war er Ressortleiter der Außenpolitik und leitender Redakteur, von 1995 bis 2004 Chefredakteur. Von 2005 bis 2009 war er Chefredakteur der Wiener Zeitung. Dort schrieb er die Kolumne Andreas Unterbergers (nicht ganz unpolitisches) Tagebuch. Man kann sagen, dass dies das Unterbergers Heldenzeitalter war, dem auch sein Wikipedia-Artikel mit Verweis auf Kritik des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes letztlich eine gewisse unfreiwillige, aber umso mehr anerkennenswerte Ehrerbietung erweist. Es ist eben nicht alles entweder Licht, oder, wie hier wohl eher, Schatten im Leben. Unterberger wurde denn auch seitens der SPÖ von seinem Chefredakteurposten abserviert, was sozusagen politisches Kleingeld war. Die ÖVP hat ihn nicht übertrieben verteidigt. 

Unterberger hat diverse Preise überreicht bekommen, die wir hier nicht auflisten wollen, ihn aber als in unserer politischen Gesellschaft fest verwurzelten Menschen erweisen, wenngleich man immerhin einräumen muss, dass das heute alles undenkbar wäre. 

Seit 2009, so die Wikipedia, ist Unterberger freier Publizist und führt sein nicht ganz unpolitisches Tagebuch als Internet-Blog fort. Zudem schreibt er in der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die wöchentliche Kolumne Unterbergers Wochenschau. Von Juli 2011 bis Mai 2013 schrieb er mit Unterbrechungen in den Freitag-Ausgaben der Salzburger Nachrichten unter dem Titel Kontroverse eine Doppel-Kolumne mit beziehungsweise gegen Katharina Krawagna-Pfeifer. Der Ausgang dürfte wohl klar sein und Kurtagic‘ berühmten Essay-Titel bestätigt haben: Warum Konservative immer verlieren. 

Der alte Unterberger der Printmedien ist eine abgetane Größe, ist Geschichte. Um den Internet-Blog aber, um die Gegenwart also, geht es hier. Lange Jahre hat Unterberger es verstanden, mittels Publi-zierung „vernünftiger“ Meinungen zu wichtigen Themen eine respektable Stammleserschaft um sich zu scharen. „Unterberger“ hatte ganz gut „funktioniert“, als die Zeichen der Zeit noch nicht auf jenem Sturm gestanden sind, der die bürgerliche Mitte wie eigentlich die gesamte Gesellschaft zer-zauste. Seine leidlich vernünftigen Ansätze aus immerhin einigermaßen prominentem Munde taten gut, fühlte man sich doch nicht ganz so allein gelassen. Vernunft in Maßen sozusagen, in bürgergerechten Dosen, getreu dem Motto: jeglicher Extremismus schadet. 
 
Endlich konnte man ausgewogene bzw. leicht kritische Meinungen zu brisanten Themen lesen, die immer mehr von einem neuartigen linken Konsens zu vereinnahmt werden drohten, allen voran die Migrationsfrage. Nun, das war schon etwas in refugee-welcome-Zeiten, als sich das politische Pendel so weit nach links zu verschieben begann, dass maßvolle bürgerliche Vernunft, sprich verhalten skeptische Beurteilung der Masseneinwanderung schon mehr als scheel angeschaut wurde. Schuld waren bei Unterberger allerdings immer die anderen, nämlich vom ÖVP-Standpunkt aus besehen. Einen anderen kannte und kennt er bis dato nicht. Immerhin hat Unterberger diverse interessante Informationen ausgegraben, ausgebreitet oder in einem neuen Licht dargestellt, die man woanders nicht erhielt. 
 
In gewisser Hinsicht tut er dies auch noch heute. In anderer Hinsicht jedoch … tut er das eben nicht, dh tut er sogar das schiere Gegenteil; und dieser Aspekt ist der weitaus schwerer wiegende. Auch Unterberger hat sich nämlich als Verräter der bürgerlichen Sache entpuppt. Daran vermögen seine Artikelchen, in denen alle Parteien außer der ÖVP angegriffen werden, nichts zu ändern, ganz im Gegenteil. Denn wie die ÖVP steht auch Herr Unterberger dort, wo es drauf ankommt, bedingungslos auf Seiten der Linksextremen, sprich des grünen Koalitionspartners, auch wenn er dies nach Kräften zu kaschieren versucht. Die Rede ist natürlich von Corona und vom Ukraine-Krieg, also von Corona-Maßnahmen, Impfagenda, Putin, USA, Waffenlieferungen, Neutralität etc. Unterberger ist zum Scharfmacher geworden, der in diesen überaus wichtigen Fragen mit dem linken Mainstream völlig konformgeht und somit das, was man gemeinhin als konservative, bürgerliche, liberale und auch christliche Werte bezeichnet hat, ohne mit einer Wimper zu zucken über Bord zu werfen beliebt. 

 

7 Kommentare:

  1. kein Unterberger-Fan28 Februar, 2023 09:31

    Ist dieser Unterberger so wichtig, dass man ihm einen mehrteilgen langen Artikel widmen muss?

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  2. Früher habe ich seine Kommentare gelesen

    irgendwann habe ich gefunden, dass die Leserkommentare der eigentlich wertvolle Teil waren

    inzwischen finde ich : schade um die Zeit

    es gibt Besseres - man muss es halt suchen

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  3. Wer der Artikel diese Tendenz beibehält, der Anfang ist etwas lang und gewunden, aber grundsätzlich gut, dann ist er schon wichtig. Man muss diese bürgerliche Blödheit und Pflichtvergessenheit sehr wohl aufs Tapet bringen. Unterberger ist ein Musterexemplar.

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  4. Es gibt eine Annahme von Fritze Engels (der Schabbesgoj jenes Dienstmädchenschänders aus Trier), nachdem ein Grossteil der deutschen Bourgeoisie letztlich von im Spätmittelalter ausgebüxten Sklaven* abstammen soll. Es sei dahingestellt, würde aber einiges erklären.

    *Stadtluft macht frei

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  5. Dieser angestrengt elaborierte „Essay“ offenbart ein Elend des Konservatismus - das ihn immer von einer authentisch rechten Haltung unterscheiden wird: die Überdifferenzierung und die Unfähigkeit zur klaren Kante. Also nur die Bäume, nicht aber den Wald zu sehen. Man kann das Mäandere von Herrn Moser auch in einen Satz kondensieren, mit dem dasselbe gesagt ist, nur kürzer, klarer und behältlicher: Herr Unterberger ist, wie leider so viele Konservative, ein Volksverräter.

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  6. @Kreuzweis: Na ja, aber die Sklaven können idR nix dafür, dass sie Sklaven sind, und überdies waren die Ausgebüxten eo ipso freiheitsliebend. So gesehen kein typischer Stammbaum für unsere Bourgeoisie... Aber der Fritzi E. hat sich mit der Logik nicht immer leicht getan...

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  7. "nur kürzer, klarer und behältlicher: Herr Unterberger ist, wie leider so viele Konservative, ein Volksverräter."

    Das wissen wir beide, aber ich denke, in diesem Artikel wird es auf die Beweisführung und Argumentation ankommen, auch auf pointierte Zuspitzung. Das ist halt überhaupt die Stärke dieses Blogs. Ihre kurze Kondensierung wird halt leider niemand anderen überzeugen.

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