Montag, 14. September 2015

Lesefrüchte

Urlaub ist doch zu etwas gut: man kommt endlich dazu, zu lesen! Beispielsweise die »Tagebücher 1918 bis 1937« des Grafen Keßler, in denen sich neben vielen denkbar verquerem, verblasen-idealistischen Auslassungen auch gelegentlich Perlen finden, die man keineswegs missen möchte! So habe ich noch selten einen so bestechenden Gedanken über die Herkunft der in Deutschland endemisch verbreiteten Rückgratlosigkeit gelesen, wie bei Keßler:
Diese kleinen Residenzen haben gewiß viel Gutes getan für die allgemeine Bildung in Deutschland, sind kleine Kulturzentren gewesen: Bückeburg mit nur sechstausend Einwohnern hat noch heute ein gutes Theater und Orchester. Aber ich weiß nicht, ob nicht der Schaden, den sie angerichtet haben, indem sie mit der Kultur die allgemeine Servilität und Rückgratsverkrümmung in Deutschland auf das wirksamste gefördert und wie Pestzentren auf das platte Land und die Provinz verbreitet haben, noch viel größer gewesen ist. Sie haben die Kultur gefördert, aber den Menschen gebrochen. Die Jämmerlichkeit des deutschen Bürgertums ist zum großen Teil auf die intensive Förderung der Servilität durch die vielen deutschen Höfe zurückzuführen. Und dieser Einluß dauert noch an in einer Stadt wie Bückeburg, wo das Fürstengeschlecht seinen Reichtum trotz der Revolution behalten hat.
Deutschland verdankt es seinen Fürsten, daß es das gebildetste, aber rückgratsloseste Volk Europas ist.

(Harry Graf Keßler: »Tagebücher 1918 bis 1937« (insel taschenbuch 659), zum 26.11.1924, S 410f.) 
Leider trifft das bis heute zu. Das gute Theater und Orchester in Bückeburg ist vermutlich passé. Die Rückenkrümme ist dafür geblieben. Nicht mehr legitimistisch oder national, sondern gegenüber dem Hegemon von der East-Coast.

Auch die Rückgratlosigkeit geht mit der Zeit ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Forums-Trolls, die die Kommentarfunktion zugemüllt hatten, machten die Moderation von Kommentaren nötig. Da der Blogbetreiber weder Zeit noch Lust hat, ständig den Blog zu beobachten, können auch mehrere Tage vergehen, bevor ein Kommentarposting freigeschaltet wird. Bitte um Verständnis.

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die gem. DSGVO notwendige Zustimmung, daß dieser im Falle seiner Freischaltung auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger«-Software vorgegeben ist weiters, daß Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie sie bekanntgeben, gespeichert wird. Dasselbe gilt für für Meldung als »Follower« u. dergl. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars begehren, können Sie dies unter Angabe des bezughabenden Artikels, sowie von Datum und Uhrzeit ihres Kommentars tun. Ihr Kommentar wird dann innerhalb einer dem Blogbetreiber zumutbaren Zeit gelöscht wird (auch dies kann mehrere Tage dauern).

Ob etwaige Daten eines Kommentators (IP-Adresse etc.) von der »Blogger«-Software automatisch gespeichert und/oder weiterverarbeitet werden, entzieht sich der Kenntnis des Blogbetreibers, ist von diesem aber weder beeinflußbar noch kontrollierbar. Zu diesem Fragen wenden Sie sich bitte an:

https://www.google.de/contact/impressum.html

Hier finden Sie auch einen Hinweis zur »Datenschutzerklärung«:

https://policies.google.com/privacy?hl=de

Auf diesem Blog herrscht auch hinsichtlich der Kommentare weitestgehende Redefreiheit. Gelöscht werden jedoch Kommentar
1. durch deren Stehenlassen sich der Blogbetreiber strafrechtlichen Sanktionen aussetzen würde;
2. die dazu dienen, diesen Blog öffentlich zu diskreditieren;
3. Werbeeinschaltungen (auch in Form von Schleichwerbung);
4. persönliche Beleidigungen und ähnliches (bitte argumentieren Sie möglichst sachlich).
5. Kommentare, die ohne oder nur geringen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Artikel oder dem daran schließenden Kommentarverlauf gepostet werden (»off topic«), können — evtl. nach Abwägung der Informationsinteressen im freien Ermessen des Blogbetreibers — durch den Administrator gelöscht werden.

Wem das nicht frei genug ist, dem sei dringend geraten, seinen eigenen Blog zu eröffnen.