Sonntag, 29. Dezember 2019

»Der Wolf als Hirte«


... übertitelt ein gewisser Harald Klauhs seine Rezension eines Buches von Johannes Sachslehner: »Hitlers Mann im Vatikan«. Ich habe dieses Buch nicht gelesen und werde es wohl auch nur dann, wenn ich es geschenkt erhalten sollte, denn € 28 sind mir für ein offensichtlich ehrabschneiderisches Pamphlet einfach zu viel.

Aber hier will ich mich nicht mit dem rezensierten Buch, sondern mit der »Rezension« beschäftigen. Herr Klauhs ist offensichtlich der Meinung, für eine Rezension eines biographischen Werkes reiche die Lektüre desselben (und vielleicht pro forma ein Nachlesen im Wikipedia-Artikel, damit man sodann behaupten kann, man hätte ja nicht bloß das Buch gelesen). Es ist ihm anscheinend nicht in den Sinn gekommen, daß er die Werke des von ihm so herb kritisierte Bischof Hudal vielleicht selbst lesen sollte, statt sich nur auf die Darstellung Sachslehners zu verlassen. Dann wäre er z.B. auf das Faktum gestoßen, daß Hudal in den 1930er-Jahren gefordert hatte (allerdings erfolglos!), daß die damals noch bestehende Index-Kongregation Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« und Hitlers »Mein Kampf« auf den Index der verbotenen Bücher setzen sollte. Vielleicht hätte er sogar das markige »non possumus« (mit dem »Die geistigen Grundlagen des Nationalsozialismus« schließen), das Hudal der Katholischen Kirche anempfiehlt, wenn der Nationalsozialismus seinen damals eingeschlagenen Weg ins antichristliche Neuheidentum und einen biologistischen Rassen-Antisemitismus fortsetzt, entdeckt — wenn derlei »Details« schon in einer angeblich so »materialreichen« Biographie wie der von Sachslehner scheints unerwähnt geblieben sind.

Nicht unpikant ist auch Klauhs' Kritik an Bischof Hudals Verhalten bei der Fluchthilfe für diverse SS-Angehörige und andere »Ehemalige«:
Begründet hat Hudal diese Aktionen perverserweise mit christlicher Nächstenliebe. Es sei die Pflicht eines katholischen Priesters, so Hudal, »verzeihender Vater und Hirte« zu sein und Verfolgte nicht an weltliche Behörden auszuliefern. Die Kirche dürfe keine »Schergendienste« für staatliche Stellen leisten. Eine totale Verkehrung von Opfern und Tätern.
Ist doch irgendwie interessant, wenn heute die Kirche das Schlepperwesen von vorderasiatischen und afrikanischen Völkerschaften überaus aktiv betreibt und es geradezu als Christenpflicht einmahnt, illegale Migranten und ihre Schlepper zu unterstützen. Doppelte Standards etwa? Tja ...

Und will uns Herr Klauhs wirklich einreden, es wäre einem katholischen Priester angemessener, kein verzeihender Vater und Hirte zu sein, sondern Verfolgte als Scherge an die Behörden auszuliefern? Ja, das war im Ostblock bei den von staatlichen Geheimdiensten infiltrierten »offiziellen« Kirchen schon üblich — nur daß wir das als wünschenswertes Selbstbild von Geistlichen ansehen sollten, war mir bislang eher nicht geläufig.

Ich gehe zwar nicht davon aus, daß die DiePresse-Redaktion sich von den schwindelnden Höhen des Haltungsjournalismus' in die Niederungen echter Recherche begeben will — falls doch, so könnte sie zum Einstieg in dieses komplexe Thema einmal die kleine Artikelserie, die im Mai 2013 auf diesem Blog zu Bischof Hudal erschienen ist (Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5), lesen. Ist aber, so viel Realismus muß sein, recht unwahrscheinlich. Man wird sich doch seine zeitgeistigen Vorurteile nicht durch schnöde Fakten ruinieren wollen ...

Endgültig unappetitlich wird dann die Geschichtsklitterung, wenn DiePresse diesem Artikel in ihrer Online-Ausgabe dieses Bild voranstellt:


Es soll offensichtlich unterstellen, Hudal habe einen Vortrag in Wien mit dem Hitler-Gruß eingeleitet. Und gerade so ein Photo als Blickfang vor diesen Artikel zu setzen, ist einfach schäbig und grenzt an bewußte journalistische Lüge!

Nicht nur, daß 1937 der Hitlergruß in Österreich verpönt gewesen wäre (und schon gar bei einem Bischof); aus der Körperhaltung Hudals ebenso wie der Zuhörer ist für den historisch Gebildeten klar erkennbar, daß es sich nur um eine zufällige Gestikulation des Armes im Zuge des Vortrages handeln konnte — denn daß die Zuhörer bei einer tatsächlichen Begrüßung mit dem Hitler-Gruß mit in den Schoß gelegten Händen, überkreuzten Armen gesessen (!) wären, ja die Beine lässig übereinander geschlagen hätten, wäre völlig ausgeschlossen gewesen! Hier wird also versucht, mit einem Bild den Geschichtsunkundigen eine Botschaft — nämlich: »Hitlers Mann im Vatikan« — zu insinuieren.

Jetzt werden wieder die üblichen Verdächtigen mit Kommentarpostings auftauchen, die »beweisen« wollen, wie schrecklich »Nazi« doch der LePenseur-Blog sei ... ach, geschenkt! Wer diesen Blog liest und trotzdem glaubt, hier würde der NS-Ideologie gehuldigt, der sollte dringend bei einem Psychiater seines Vertrauens vorsprechen. Nein — es geht (wie so oft in diesem Blog) vielmehr um die Frage, ob Journalisten und »Historiker« als willfährige Lakaien des Zeitgeistes heucheln, lügen und fälschen dürfen, was das Zeug hält, weil es doch »einer guten Sache« dient?

Wer in dieser Frage sich bei den Heuchlern, Lügnern und Fälschern eher zuhause fühlt, braucht hier ja nicht mitzulesen. Er braucht sich aber auch nicht zu wundern, wenn ich ihn exakt für das halte, was er damit gutheißt ...


2 Kommentare:

Ottaviani hat gesagt…

Danke, sehr zu schätzender Penseur, dass Sie an die banale Tatsache erinnern, was eines Priesters und Bischofs ist und was nicht. Nämlich Barmherzigkeit zu üben und nicht das dunkle Geschäft irdischer Gerechtigkeit zu betreiben. Deshalb liefert die Hl . Mutter Kirche auch keine leider fehlgetretenen Priester an die weltlichen Scharfrichter aus, sondern klärt das auf ihre Art. Also barmherzig. Die Kirche darf sich durch Händel mit der Welt nicht schmutzig machen.

Le Penseur hat gesagt…

Cher Ottaviani,

Ihr Vergleich von kinderschändenden Priestern mit verfolgten ehemaligen Nazis trifft nicht wirklich zu!

Bei den ehemaligen Nazis ging es Bischof Hudal ja um jene Fälle, in denen er aufgrund seiner eigenen seelsorgerischen Tätigkeit zur Überzeugung gelangte (bzw. von anderen Seelsorgern überzeugend mitgeteilt bekam), daß diesen in der Form, in der sie nun verfolgt würden, aktuell Unrecht widerfahren würde. Da hier eine Wiederholung möglicher begangener Straftaten faktisch ausgeschlossen war (wie sollte ein "alter Nazi" in Brasilien bspw. KZ-Wächter sein, wenn es dort keine gab etc.), es also "nur" um eine "fiat justitia" ginge, hat ein Geistlicher aus seiner Tätigkeit heraus keine Veranlassung, hier den Richter — oder gar Scharfrichter — zu spielen.

Bei kinderschändenden Priestern hingegen ist ein Rückfall jederzeit möglich (bzw. infolge der bestehenden Veranlagung sogar wahrscheinlich), und da gehen die allgemeinen Sorgfaltspflichten eindeutig vor. Abgesehen davon, daß bei einem Geistlichen wohl ein höherer Standard an Moralität anzulegen ist, als bei einem Laien.