Donnerstag, 23. Februar 2017

In memoriam Stefan Zweig


Heute vor fünfundsiebzig Jahren ging der nach Brasilien emigrierte österreichische Schriftsteller Stefan Zweig mit seiner Frau in den Tod.


Und es war nicht eine Depression, die Zweig wegen seiner durch die Nazis ausgelösten Emigration, deren letzte Station Brasilien war, befallen hätte (wie man heute nur zu gern annehmen möchte), die ihn in den Tod trieb, sondern seine Hoffnungslosigkeit, die ihn als überzeugten Pazifisten befiel, da Brasiliens Diktator sein bis dahin neutral gebliebenes Land für die Zusicherung wirtschaftlicher und politischer Vorteile auf Seite der Alliierten in den Zweiten Weltkrieg eintreten ließ.

Man hat Zweig von Seiten der Emigranten gescholten, auch gegenüber Hitler-Deutschland seinen Pazifismus nicht aufgeben zu wollen, und man kann im Rückblick diesen seinen Standpunkt für naiv und verfehlt halten: dennoch kann man ihm die Achtung für seine konsequente Haltung schwer versagen.

Sein letztes Gedicht, welches auf diesem Blog bereits zitiert wurde, ist ein wehmütiger Abgesang auf das Leben:
Linder schwebt der Stunden Reigen
Über schon ergrautem Haar,
Denn erst an des Bechers Neigen
Wird der Grund, der goldne, klar.

Vorgefühl des nahen Nachtens,
Es verstört nicht ... es entschwert.
Reine Lust des Weltbetrachtens
Kennt nur, wer nicht mehr begehrt,

Nicht mehr fragt, was er erreichte,
Nicht mehr klagt, was er gemißt,
Und dem Altern nur der leichte
Anfang seines Abschieds ist.

Niemals glänzt der Ausblick freier,
Als im Glast des Scheidelichts,
Nie liebt man das Leben treuer
Als im Schatten des Verzichts.

Wer in diesem Freitod bloß die Verzweiflung über die Diktatur Hitlers und den Rassenwahn der Nazis sieht, verschweigt entscheidendes, nämlich für Stefan Zweig entscheidendes: daß nämlich ein Pazifismus unter Vorbehalt, eben unter Ausnahme eines Kriegs gegen X, in Wahrheit keiner ist. Man kann den Standpunkt des Pazifismus überhaupt (oder wenigstens in dieser Konsequentheit) für sich ablehnen, an seiner Folgerichtigkeit ist aber nicht zu zweifeln.

Das sind freilich Überlegungen, die man heute besser für sich behält. Sind wir doch längst wieder in der Situation leichtherziger Kriegsrechtfertigung durch interessierte Kreise, die unter dem Vorwand eines "Kampfes gegen den Terror", oder "zur Förderung der Demokratie", oder "friedenssichernder Maßnahmen" den nächsten Weltenbrand (der dann mit etwas Pech auch der letzte wäre) anzetteln wollen.

Carlin meinte einmal

Fighting for peace is like screwing for virginity

und obwohl ein so
wohlerzogener Mann wie Stefan Zweig über das obige Zitat sicherlich mißbilligend seine Brauen gewölbt hätte: die inhaltliche Richtigkeit des Diktums hätte er wohl nicht bezweifelt ..

Über Stefan Zweigs literarische Bedeutung muß hier keine Eulogie gehalten werden: er ist nach wie vor einer der weitweit meistgelesenen Autoren deutscher Sprache, seine Werke sind bis heute in vielen Ausgaben und Übersetzungen erhältlich. Mich hat der Autor bereits in früher Jugend mit seinem "Magellan" (1938) zu begeistern verstanden, und seine reichhaltige Palette von Biographien, Novellen und Romanen hält wohl für jeden passionierten Leser einige Kostbarkeiten bereit!

Sicherlich: sein Stil ist bisweilen ein wenig prätentiös, bei manchen Formulierungen muß man lächelnd ein wenig (metaphorischen) Staub vom Blatt blasen ... doch ist dies nicht ein Schicksal, das auch den größten Dichtern nach Jahrzehnten widerfährt? Alles in allem ist seine Prosa makellos und von großer Stil- und Treffsicherheit.

Wie auch immer man Zweigs politische Ansichten auch beurteilen mag: daß er ein großer und überzeugender Humanist war, ist unbestreitbar. Und von letzteren gibt's leider nicht so viele unter den Dichtern und Literaten der neueren Zeit, als daß man auf ihn leichten Herzens verzichten wollte ...

Stefan Zweig, zeitlebens ein begeisterter Viel- und Weitgereister, hatte einst einen "Hymnus an die Reise" verfaßt, nicht ahnend, auf welche Reisen er in den letzten Jahren seines Lebens werde aufbrechen müssen, und wohl noch weniger, auf welche Weise er seine letzte Reise antreten sollte. Aber dieses Gedicht ist als Tondokument der kultivierten Stimme wie auch des idealistischen Schwunges seines Autors erhalten geblieben, und sei daher als würdigerer Abschluß ans Ende dieses viel zu kargen Gedenkens an jenen großen Menschen und Dichter gesetzt:



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer Stefan Zweig noch nicht gelesen hat, kann sich ihm - weil man Zweigs Werke als kultivierter Mensch kennen sollte - als Hörbuch annähern:
z.B. hier youtube.com/watch?v=u4-T2gNkyO8 (Sternstunden der Menschheit, Kap. 1)
oder hier youtube.com/watch?v=mHU_f-wJJWE (Joseph Fouche)
usw.

meint mit zweigfreundlichen Grüßen
Kreuzweis

Anonym hat gesagt…

Er war schon lesenswert, das ist keine Frage.
Allerdings war er als "Pazifist" halt auch ein Linksgrüner, das sollte man dann bei aller Pietät doch nicht ganz vergessen.
Dementsprchend ist er ja, als er noch in Wien lebte, wiederholt als Exhibitionist in öffentlichen Parks in traurige Erscheinung getreten.

Le Penseur hat gesagt…

Cher "Anonym",

Allerdings war er als "Pazifist" halt auch ein Linksgrüner

*kopfschüttel*

Dementsprchend ist er ja, als er noch in Wien lebte, wiederholt als Exhibitionist in öffentlichen Parks in traurige Erscheinung getreten

Darüber gibt es nur Gerüchte. Und daß solche durchaus öfters nicht zutreffen, ist bekannt ...