Montag, 31. März 2014

Eine »Schande für die Politik«

... ist nach Ansicht gewisser Kreise Andres Mölzer, der freiheitliche Spitzenkandidat für die demnächst bevorstehende Wahl  des EU-»Parlaments«, weshalb dieser, bitteschön, doch gleich vor der Wahl zurücktreten möge.

Nun steht es selbstverständlich jedem und jeder Gruppierung — ob sie nun die SPÖVP ist, oder die Wiener Israelitische Kultusgemeinde, oder ein hypothetischer Kleingartenverein »Zukunft im Sozialismus« — frei, jemanden zum Rücktritt aufzufordern. Nur sollte die Begründung schon im Eigeninteresse der solches Fordernden etwas weniger fadenscheinig sein — und auch die Reputation der Medien, die sinnentstellend zitieren (»Der freiheitliche EU-Spitzenkandidat hatte die EU als Diktatur bezeichnet, gegen die "das Dritte Reich wahrscheinlich formlos und liberal" gewesen sei. Außerdem benutzte er im Zusammenhang mit der Union den Ausdruck "Negerkonglomerat"«, meint etwa »Die Presse«), wird durch das unhinterfragte Publizieren von derlei Sperenzchen nicht gerade gefördert.

Offenbar geht aber seit der Ohrfeige, die am Sonntag den regierenden Sozen in Frankreich von den Wählern versetzt wurde, den Eurokraten-Apparatschiks der Allerwerteste auf Grundeis, und man versucht mit aller Gewalt, einen lästigen Konkurrenten loszuwerden. Ob es gelingen wird, steht freilich zu bezweifeln. Denn anders als in Anatolien, das, von Twitter- und Youtube-Verboten oder Korruptionsvorwürfen wenig beeindruckt, den selbsternannten Führer der türkischen Muselmanen in seinem Größenwahn bestärkte, ist in den zivilisierteren Teilen dieses Kontinents doch mittlerweile der Sättigungsgrad der Politikverdrossenheit so enorm, daß den Wählern die mangelnde délicatesse, die überbordende EU-Bürokratie mit der der Nazis zu vergleichen, vergleichsweise piepegal ist.

Wer wie unsere Koalitionszwillinge SPÖVP seit Jahren schon das Hypo-Alpe-Adria-Debakel durch dilettantische Verschleppungs- und Verschleierungsaktionen nur von einer kleinen zu einer fast existenzbedrohenden Katastrophe zu verschlimmern verstand, der wird von den Wählern, die mit ihren Steuergeldern dafür einstehen müssen, wohl als das größere Übel angesehen als ein bekannt scharfzüngiger Oppositionspolitiker, der sich — vielleicht — in der Wortwahl etwas unsensibel zeigte.

Und die GrünInnen, die jetzt mit besonders dicke Lippe unterwegs sind, wären gut beraten, sich zunächst einmal die Frage zu stellen, ob sie mit einem EU-Fraktionschef mit Kinderschänder-Erfahrungen nicht im sprichwörtlichen Glashaus sitzen, in dem sie lieber nicht mit Steinen werfen sollten ...

Nun: »Wahltag ist Zahltag« lautet ein Sprichwort ...

Ihn kennt man ja

... vor allem als Verfasser hintergründig »dadaistischer« Gedichte: Christian Morgenstern, dessen Todestag sich heute zum hundertsten  Male jährt. Sicherlich: als der quasi Schöpfer einer eigenen Kunstgattung der »poetischen Absurdität« ist er unvergessen geblieben — aber es ist eben nicht der ganze Morgenstern, der aus Zeilen wie diesen spricht:
Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.

Der Seufzer dacht an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein —
und er sank — und ward nimmer gesehen.
Oder diesen:
Ein Vierviertelschwein und eine Auftakteule
trafen sich im Schatten einer Säule,
die im Geiste ihres Schöpfers stand.
Und zum Spiel der Fiedelbogenpflanze
reichten sich die zwei zum Tanze
Fuß und Hand.

Und auf seinen dreien rosa Beinen
hüpfte das Vierviertelschwein graziös,
und die Auftakteul'  auf ihrem einen
wiegte rhythmisch ihr Gekrös.
Und der Schatten fiel,
und der Pflanze Spiel
klang verwirrend melodiös.

Doch des Schöpfers Hirn war nicht von Eisen,
und die Säule schwand, wie sie gekommen war;
und so musste denn auch unser Paar
wieder in sein Nichts zurücke reisen.
Einen letzten Strich
tat das Geigerich  —
und dann war nichts weiter zu beweisen.
Oder auch:
Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.

Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst kühnes Dromedar.

Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.

Der Reiche ging alsdann herfür
und klopfte an die Himmelstür.

Drauf Petrus sprach: »Geschrieben steht,
dass ein Kamel weit eher geht  

durchs Nadelöhr, als Du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!«

Ich,  glaubend fest an Gottes Wort,  
ermunterte das Tier sofort,

ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.  

Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!

Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als:  Wehe mir! 
 ... um nur drei Beispiele (die sich über »Palmström« und die »Galgenlieder« fast beliebig vermehren ließen!) zu erwähnen. Doch so einzigartig sich der Autor mit Gedichten dieser Art — um es in einem Paradoxon zu formulieren — in die Literaturgeschichte eintrug, so ist doch sein Schaffen weitaus vielfältiger gewesen. Fraglos: die gedankenbefrachteten Gedichte, die gestern zitiert wurden, erlangten nie die Popularität der anderen, doch der Autor sah sie viel mehr als seinen »eigentlichen« Beitrag zur Literatur- und Geistesgeschichte an. 

Doch so, wie Mozart für die hübsche Petitesse der »Kleinen Nachtmusik« jedermann bekannt ist, wogegen das Dissonanzenquartett nur wenigen etwas sagt, genau so zitiert jeder (und meist unwissend über den Urheber des Zitates):
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ein instruktiver Artikel auf Wikipedia gibt eine gute Erstinformation zu Leben und Werk dieses im 43. Lebenjahr viel zu früh Dahingegangenen. Er teilt mit einem ganz anderen Autor, dessen auf diesem Blog in Kürze gedacht werden soll, freilich die Gunst des Schicksals, solcherart den gesellschaftlichen und geistig-seelischen Erschütterungen des Ersten Weltkriegs enthoben gewesen zu sein. Erschütterungen, die er in seinem Werk wohl vorausfühlte — die selbst mitzuerleiden ihm jedoch erspart blieb ...

Sonntag, 30. März 2014

Von wem?

Das zum Beispiel:



oder auch das:



und noch das:


(Auflösung morgen)

Samstag, 29. März 2014

Recht? Unrecht?

Die geneigten Leser dieses Blogs werden gebeten, zwei Artikel hintereinander zu lesen. Zunächst den in der angesehenen »bürgerlichen« Neuen Zürcher Zeitung:

Die Republik Österreich als Profiteur

Freiheitsstrafe nach der Wiedergutmachung

Ein Wiener Journalist soll für drei Jahre ins Gefängnis, weil er im Verfahren auf Rückerstattung einer von den Nazis arisierten Liegenschaft seine Tante als Miterbin verschwiegen hat. Geschädigt fühlt sich allerdings der österreichische Staat.
Weil er das Antragsformular zur Restituierung einer von in der Nazizeit seinen Vorfahren in Wien geraubten Liegenschaft nicht richtig ausgefüllt hat, soll der Journalist Stephan Templ, der unter anderem auch für die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt, demnächst eine Freiheitsstrafe von drei Jahren antreten.
(Hier weiterlesen)

 Und nun erst, bitte, nach der Lektüre der NZZ, den Artikel im bekannt gutmenschelnden Wiener Stadtmagazin »Der Falter«:

Ein schwieriger Erbe

Der Journalist Stephan Templ kämpft um das Vermögen seiner jüdischen Vorfahren. Nun soll er ins Gefängnis. Steckt dahinter eine Staatsaffäre oder ein banales Verbrechen?

Als Stephan Templ am 25. April 2013 das Wiener Landesgericht für Strafsachen betritt, ist er ein furchtloser Bürger. Was dann kommt, muss sich anfühlen wie ein Schlag ins Gesicht.
Punkt für Punkt nimmt Richterin Sonja Weis seine Verteidigung auseinander und reibt ihm unter die Nase, wann und wie er versucht habe, „möglichst viel Geld zu lukrieren“. Schließlich verkündet sie: drei Jahre unbedingt wegen schweren Betrugs. 
(Hier weiterlesen)
 Nach der vollständigen Lektüre des zweiten Artikels ist man leicht verwirrt. Und begreift auch als Nicht-Jurist, wie schwer es ist, Recht sprechen zu wollen. Auch für einen Obersten Gerichtshof. Der in diesem Fall die Nichtigkeitsbeschwerde des erstinstanzlich Verurteilten verwarf (die damit verbundene Berufung gegen das Strafausmaß wird daher demnächst vom Wiener Oberlandesgericht behandelt werden).

Recht? Unrecht? Und wenn letzteres: wie schwer zu be- und zu verurteilen! Nein, Jus ist keine schöne Profession, so betrachtet ...

Bei Prof. Alexander Dilger

... entspann sich vor zwei Tagen aus Anlaß eines Artikels über den Besuch von Obama in der Brüsseler EU-Zentrale ein äußerst interessanter Diskussions-Thread über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Gleich im ersten Kommentar brachte Thomas Vorländer plausible Argumente, diesem Abkommen mit großer Skepsis gegenüberzustehen:
Als früheres FDP-Mitglied sollten Sie wissen, wo solche Verhandlungen mit den Amerikanern immer wieder enden. Stichwort ist hier ACTA, wo die FDP eine vergleichsweise gute Figur gemacht hat, also der Versuch, durch internationale Verträge das deutsche Grundgesetz zu umgehen und eine Art verkappten Polizeistaat zu errichten. Auf Wikipedia lese ich zu TTIP: “Der geplante sogenannte Investitionsschutz sieht vor, dass ein ausländischer Investor den Gaststaat wegen „indirekter [!?] Enteignung“ auf Erstattung entgangener (auch künftiger) Gewinne verklagen kann. Die Klage ist beispielsweise dann möglich, wenn ein Staat neue Umweltauflagen oder ein Moratorium (etwa für Fracking) beschließt. Wie beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen sieht auch das TTIP vor, dass Konzernen weite Möglichkeiten eingeräumt werden sollen, Staaten auf Kompensationen zu verklagen, wenn Gesetze oder staatliches Handeln möglicherweise [!?] Gewinnerwartungen schmälern. Dies stößt auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Verstießen Staaten gegen die Vertragsregelungen, könnten „gigantische Entschädigungen“ für Unternehmen fällig werden; dabei werden Beispielfälle im Bereich von Milliarden US-Dollar genannt. Nachdem von einer kanadischen Provinz ein Moratorium für das Fracking von Schiefergas und Öl erlassen wurde, klagt zurzeit das US-amerikanische Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und fordert Entschädigungen in Höhe von 250 Millionen Dollar für den zu erwartenden Gewinnausfall. Ähnliche Klagen von US-Unternehmen wären nach dem Abschluss eines Transatlantischen Freihandelsabkommens dann auch in der EU möglich.”

Das ist nichts anderes als Geldmacherei und steht insbesondere der Forderung nach Volksabstimmungen entgegen. Solche Abstimmungen wären nicht mehr frei, wenn man drastische Entschädigungsforderungen im Genick hätte.

Mein Eindruck ist dass die USA bei solchen Abkommen immer als eine Art koloniale Bedrohung auftreten (im Pazifikraum ebenso) und die EU die Gelegenheit nutzt um mehr nationalstaatliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, zu zerstören. Insbesondere zweifle ich daran, dass hier irgendwelche Verbesserungen zu erreichen sind, weil die USA einfach nicht bereit sind, die verfassungsrechtlichen Standards kontinentaleuropäischer Staaten, etwa Datenschutz und ein Primat des Grundrechtsschutzes, zu akzeptieren.
(Hier weiterlesen)
 Lesenswerte Diskussion!

Freitag, 28. März 2014

Die Macht der Medien

... und ihr flagranter Mißbrauch sind auf diesem Blog schon öfters thematisiert worden. Nun hat Josef Bordat auf seinem lesenswerten Blog am Beispiel des zurrückgetretenen Limburger Bischofs einen — wie bei ihm gewohnt — wohlabgewogenen Artikel verfaßt, der über den konkreten Anlaßfall hinaus die berechtigte Frage aufwirft:

Worum es (eigentlich) geht

Ein (vorläufig) letztes Mal zur Rolle der Medien im Fall Franz-Peter Tebartz-van Elst

Ich habe zu meinem gestrigen Beitrag, der in den ersten 24 Stunden nach Erscheinen bereits etwa 2000 mal aufgerufen wurde, viele Rückmeldungen erhalten – einige zustimmend, andere kritisch bis offen ablehnend. Gerade auch Personen, die ich sehr schätze, haben kein Blatt vor den Mund genommen – wofür ich sehr dankbar bin, denn das spricht für vorhandenes Vertrauen. Ich möchte jetzt nicht nachkarten, ich möchte im Grunde nur, dass zwei Dinge auseinandergehalten werden. Erstens: das Verhalten des emeritierten Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Zweitens: die Analyse der Rolle wirkmächtiger Medien bei der entstandenen Vertrauenskrise. (Hier weiterlesen)
Nicht, daß LePenseur der — nun bereits ehemalige — Bischof von Limburg in Art und Einstellung so besonders ans Herz gewachsen wäre, das nicht. Aber: dem von einer deutlichen Übermacht Verfolgten beizuspringen — wäre nicht genau das sittliche Pflicht, wenn man auf »fair play« auch nur irgendeinen Wert legt? Die Medien freilich »funktionieren« längst anders. Getreu im Sinne ihrer brancheninternen Hackordnung (mit dem »Spiegel« ganz oben in der Meinungsführerschaft) wollen sie nicht Vielfalt, kontroversielle Argumente, Diskussion, sondern Abstecken von Macht- und Meinungs-Claims, über deren ungeschriebene, doch umso fühlbarere Grenzen hinauszugehen einen zum Paria macht. Und sie nutzen ihre zwar schwindende, doch noch vorhandene Macht (und umso rücksichtsloser, je mehr sie schwindet) — zumal sie zu keiner Rücksicht gezwungen werden:
Die Medien können – im Wesentlichen – machen, was sie wollen. Das Ärgste, das einem als Verlag oder Sender droht, nachdem man einen Menschen vernichtet hat, ist eine Rüge vom Presserat.
... beschreibt Bordat völlig korrekt den Zustand unserer »Pressefreiheit«, die schon längst keine »Meinungsfreiheit« mehr ist, sondern bloß die Freiheit etablierter Medien, jeden Abweichler ungestört zur Strecke zu bringen. Englische Fuchsjagden oder antike Gladiatorenkämpfe waren dagegen geradezu als vorbildlich fair zu bezeichnen ...

Der Messias

... und der Vikar der neuen sozialistischen Weltordnung trafen zusammen. Und fanden einander sichtlich sympatisch. Wie schön.

Obama hatte im Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" am Donnerstag die Notwendigkeit eines gemeinsamen verstärkten Einsatzes gegen die Armut hervorgehoben. "Der Papst verkündet nicht nur das Evangelium, er lebt es. Er inspiriert Menschen auf der ganzen Welt und auch mich mit seinem Einsatz für soziale Gerechtigkeit und seiner Botschaft von Liebe und Mitleid, vor allem für Personen, die ärmer und schwächer sind", sagte Obama. Er sei von Franziskus' Demut und seinen Gesten der Barmherzigkeit beeindruckt. "Der Papst erinnert uns, dass jeder von uns die individuelle Verantwortung hat, auf tugendhafte Weise zu leben"
... berichtet uns »DiePresse« ergriffen unter der Schlagzeile: »Obama beim Papst: es ist eine Ehre!« Nun ja, Ehre, wem Ehre gebührt, und sei es nur die, in Privataudienz in der Apostolischen Bibliothek empfangen zu werden. Als Wiener ist man versucht, ein »Na, habe d' Ehre!« auf der Zunge zu zerdrücken (was diese Floskel wirklich besagt, erfährt man nicht aus Wiener Dialektwörterbüchern, die etwas von einer »Grußformel« dahinsülzen, sondern nur im täglichen Leben, wo das freilich ganz anders konnotiert gebraucht wird ...).

Vor einiger Zeit diskutierte ich mit einem Freund darüber, ob es wünschenswert wäre, vor zweihundert Jahren gelebt zu haben, und meinte dazu:
... da wär' ich vorsichtig. Ich las einmal von einem witzigen Mann (war es Sigismund v. Radecky?) so etwa: »Wer wäre nicht gern 1830 Gast bei einem Abendessen im Hause des Geheimrats von Goethe gewesen — aber wer möchte damals Zahnschmerzen gehabt haben ...«
Ich bekam als Replik:
Mit den Zahnschmerzen haben Sie entschieden einen Punkt .... Der wohlhabende Ricardo starb, 51jährig, an einer Mittelohrentzündung, eine Krankheit, die heute mit jedermann zugänglichen Antibiotika leicht zu behandeln ist. Aber wenn die Leute damals auch stärker als wir unter Zahnschmerzen litten, mußten sie doch zumindest keinen peronistischen Bischof von Rom ertragen ;-)
Punkt ausgeglichen, würde ich sagen ...

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P.S.: Kollege Geistbraus sieht das irgendwie auch nicht wirklich anders ...

Donnerstag, 27. März 2014

»Krim-Krise: Alarm bei westlichen Militärs«

... titelt »Die Presse« heute unheilschwanger:
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben die meisten Nato-Staaten ihre Militärbudgets immer weiter gekürzt. Die Krim-Krise ist für viele ein Beweis, dass die Abrüstungspolitik ein Fehler war, besagt eine Analyse.
Das russische Vorgehen in der Ukraine sei ein Weckruf für viele europäische Staaten, berichtete der deutsche Nachrichtensender N24 jüngst in einer brillanten Analyse, die die "Presse" im folgenden großteils darstellt.
 Naja, ganz so brillant ist die Analyse dann doch nicht — wenn man sie mit Zahlen des verdienstvollen Informations- & Satireblogs »Politplatschquatsch« vergleicht, die dieser unlängst veröffentlichte. Ein Artikel, der es fürwahr verdient, in extenso zitiert zu werden:
Das muss erstmal jemand hinbekommen. Mit 230 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr geben allein die fünf größten EU-Länder rund 2,5 mal so viel Geld für Rüstung und Verteidigung aus wie das neuerdings verfeindete Rußland, das auch nach einer Steigerung von 176 Prozent in den vergangenen 15 Jahren nur auf rund 90 Milliarden kommt. Weitere 682 Milliarden Dollar stecken die USA in Rüstung und Verteidigung - die Kern-Nato kommt damit auf eine mehr als siebenfache Überlegenheit gegenüber Putins Restimperium.
Ein Übergewicht, das dann in der ersten nicht mehr ganz zivilen Krise der vergangenen 25 Jahre sofort zu Buche schlug. Die Nato, stärkste Militärmacht der Welt, beobachtet die Annexion der Krim hilflos, gelähmt von der plötzlichen Erkenntnis, dass Waffen allein nichts nützen, wenn ihr Besitzer über Jahre hinweg glaubhaft seinen Willen bekundet hat, sie niemals und unter keinen Umständen einsetzen zu wollen. Der Friede ist dann bis an die Zähne bewaffnet. Und absolut unfähig, seine Interessen zu verteidigen.

Hier hilft nur noch eine Überdosis Propaganda, die die eigene Verteidigungs-unfähigkeit zur Strategie erklärt. Geht um den Vergleich der Militärausgaben, wird die Gesamtsumme, die der Westen ausgibt, nie genannt. Und geht es um einen Konflikt, heißt es, man wolle gar nicht gegenhalten oder doch höchstens symbolisch. Man setze auf Sanktionen, um Gespräche zu erzwingen. Man werde nie akzeptieren, was Russland getan habe, sei aber bereit, es hinzunehmen, wenn der Aggressor es denn mit der Eroberung der kleinen Krim gut sein lasse.

Friedenspolitik in der Zwangsjacke. Europa und die USA leisten sich zusammen-gerechnet Verteidigungsausgaben von mehr als einer Billion US-Dollar. Und Russland, das nicht einmal auf 100 Milliarden kommt, führt das Bündnis dennoch lächelnd am Nasenring durch die Weltarena.  Jean-Claude Juncker, einer von Europas lang- jährigen Anführern, hat das auch erkannt. Er will inzwischen Konsequenzen ziehen, um die Misere zu vertuschen: Eine EU-Armee müsse künftig als weitere Kampfkuh an die Rüstungsgeldtränken.
Nö — bei unseren westlichen Schreibtisch-Militärs läuten keine Alarmglocken! Da knallen höchstens die Schampus-Pfropfen beim nächsten Meeting mit den Rüstungsindustriellen (und natürlich mit den Untertanen-Aufsehern aus dem »Ministry of Homeland Security«): endlich kann man ungeniert zulangen! Und jeden Einwand bezüglich Kosten mit einem stirnrunzelnden »Wollen Sie riskieren, daß es uns wie der Krim ergeht?« wegwischen. Weil ja nie ausgeschlossen werden kann, daß Rußland auf imperialen Beutezug geht, und sich flugs die Whiskey-Quellen Irlands, die Austernbänke der Bretagne oder gar die schöne Wachau, horribile dictu, mit ihren guten Riesling-Lagen einverleibt. Oder so halt.

Wogegen sich die USA in gewohnter Bescheidenheit und Uneigennützigkeit mit den Ölquellen der ganzen Welt begnügen. Und ein paar Luftwaffenstützpunkten — denn, ist doch klar: irgendwie muß das alles (und müssen wir alle) ja überwacht werden, so rein sicherheitshalber ...

»Neu regieren«

Jetzt kommt sie also: die »Gratis-Zahnspange«. Zumindest für jene Kinder und Jugendlichen, die eine erhebliche Zahn- oder Kieferfehlstellung haben, wie uns sofort abwiegelnd mitgeteilt wird. Schade — ich hatte schon gehofft, von der Republik auch endlich was »gratis« zu bekommen, für die Jahrzehnte an Steuerzahlen, die ich am Buckel habe. Aber, leider, dem Kindes- und Jugendalter entwachsen — nicht wer zu spät kommt, sondern wer zu früh auf die Welt kommt, den bestraft das Leben!

Jetzt wissen wir, was uns die Koalition mit dem Slogan »Neu regieren!« versprochen hat: eine Zahnspange, die freilich gegen den uns offenstehenden Mund angesichts der fehlenden Hypo-Alpe-Adria-Milliarden nicht hilft. Und gegen ein paar andere »Kleinigkeiten«, die unsere Republik und ihre Obertanen so verbockt haben (und zweifellos noch vorhaben zu verbocken), wird die Zahnspange auch net helfen. Aber dafür dient sie vielleicht nebenbei als Maulkorb für alle, die unserer Regierung Unfähigkeit attestieren ...

Warum nur erinnert mich das nur an einen legendären Falco-Song — mein Gott! ... auch schon über zwanzig Jahre her, daß er sang:
Sieht man um sich, was passiert,
Wohin es geht oder auch nicht,
Hilft nur eines:
Schampus, Kaviar, Noblesse im Gesicht.
Let's deca-dance in jedem Fall
Die Smokingträger überall ...
Denn nobel geht die Welt zugrund
Ob dieser oder jener Stund.

Morbidity for you and me...
Die Titanic sinkt in Panik
Ganz allanig
Aber fesch
Mit all den Millionen Cash
Und all der teuren Wäsch' ...
Falco wußte noch nicht, daß einmal eine Gratis-Zahnspange das Schibbolet der österreichischen Regierungskunst sein werde — sonst hätte er sicher noch einen Reim auf »untergeh'n / mit scheene Zähn'« gemacht.

Nun: den Reim können wir uns ja darauf immer noch machen ...

Mittwoch, 26. März 2014

Immer aktuell...



»Er hat„Neger“ gesagt ...«

Arbeitsethos und Negerkonglomerat

FPÖ-Spitzenkandidat Mölzer wird von der »Süddeutschen Zeitung« gehetzt. Wegen erschrecklicher Aussagen in einer legeren Diskussionsrunde — auch »Die Presse« entsetzt sich pflichtschuldig:
Andreas Mölzers völkischer Rückfall in „satirischem Rahmen“

Sein „Negerkonglomerat“ und ein NS-Vergleich konterkarieren den Imagewandel des rechten Veteranen. „Hoppla, das ist mir dann doch passiert“, sagt Mölzer nach Anhören des Mitschnitts.

Wien.
Erstaunlich ist es doch, dass Andreas Mölzer wieder einschlägig auffällig wird. Seit seinem „Umvolkung“-Sager in den Neunzigern hatte er sich um ein moderates Auftreten – pointiert, aber nicht aggressiv – bemüht, nicht zuletzt in Talkshows. Und es war Mölzer, der NS-Anspielungen Freiheitlicher mit dem Verweis auf den „Narrensaum“, der seine Partei an den Rändern leider umgebe, zuletzt immer wieder verurteilte. Den „Kristallnacht“-Cartoon in der von ihm herausgegebenen, aber nun von seinem Sohn Wendelin als Chefredakteur verantworteten Zeitschrift „Zur Zeit“ hatte er als „so unnötig wie ein Kropf“ bezeichnet. Und Parteikollegin Susanne Winter, die gemeint hatte, der Prophet Mohammed sei nach heutigem Gesichtspunkt ein Kinderschänder, hatte er coram publico gerügt.

Nun aber sprach Mölzer davon, dass die EU Gefahr laufe, zum „Neglerkonglomerat“ zu werden, und im Vergleich zum NS-Regime überreglementiert sei. Seine Erklärung dafür: Diese Aussagen seien in einem „leger-humoristischen Rahmen“ gefallen, im Zuge einer Diskussion mit dem Historiker Lothar Höbelt, „einem alten Partner im Schmähführen“. 80 Prozent der Formulierungen seien „unter Ironiezeichen“ gefallen.

Das Publikum dürfte sich an dieser – zweideutigen – Ironie wohl erfreut haben, bestand es doch zu einem Großteil aus FPÖ-Sympathisanten. Anlass für die Podiumsdiskussion am 18.Februar 2014 war nämlich die Präsentation von Barbara Rosenkranz' Buch „Wie das Projekt EU Europa zerstört“. Ein ebenfalls anwesender Journalist der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) ließ ein Tonband mitlaufen. (Hier weiterlesen)
Nun ist es keine Frage, daß diese Äußerungen in Gegenwart eines SZ-Spitzels nicht eben klug und überlegt waren. »Die Presse« räumt immerhin ein, daß Mölzer einräume, »blöde Äußerungen« seien das gewesen. Nun: »blöd« waren sie nicht — nur unklug (was nicht dasselbe ist)! Denn was hat Herr Mölzer denn gesagt (soweit es »Die Presse« bereit ist, im O-Ton zu zitieren)?
Im O-Ton hört sich das nun aber so an: „Es ist eine Frage auch des Arbeitsethos, was aus diesem Europa wird: Entweder sind wir ein Negerkonglomerat, totales Chaos, sage ich jetzt bewusst brutal politisch nicht korrekt [...]“
Hm. So what?! Aus der Formulierung ist klar zu entnehmen (»sage ich jetzt bewusst brutal politisch nicht korrekt«), daß es sich dabei um die rhetorische Figur der Übersteigerung des Ausdrucks, also einer Hyperbel, handelt, um einen Sachverhalt besonders klar herauszustellen. Und außerdem: was wäre daran inhaltlich falsch? sind Negerkonglomerate denn durch großes Arbeitsethos und perfekte Gesellschaftsorganisation ausgezeichnet? Ein »Negerkomglomerat« ist schlicht ein Compositum aus den Bestandteilen »Neger« und »Konglomerat«. Jeder weiß, was ein Neger ist, jeder weiß, was ein Konglomerat ist. Jeder, der halbwegs über Sprachgefühl verfügt, weiß, was die ZUsammensetzung wohl bedeutet — mithin: ein Negerkonglomerat ist nicht erstrebenswerter (aber auch nicht »rassistischer«) als ein Russenkonglomerat, ein Zigeunerkonglomerat oder ein Türkenkonglomerat — weil die Bezeichnung einer Gesellschaft als »Konglomerat« eben den Charakter der diffusen Desorganisation in sich trägt. Das mögen die großen Welteinheitsvermanschter, die an den Schalthebeln der Macht sitzend ein möglichst diffus-desorganisiertes Untertanenheer präferieren. Jeder andere eigentlich nicht.

Aber: »Neger« sagt man doch nicht, weil das ist rassistisch! — ach, immer dieselbe alte Leier .... Und durch ständige Wiederholung nicht richtiger, sorry. Neger ist so »rassistisch« wie »Indianer« (eine Rassebezeichnung), »Slawe« oder »Romane« (Sprachen- und Völkergruppenbezeichnung) oder »Asiaten« (eine geographische Herkunftsbezeichnung). Mit jeder dieser Bezeichnungen (wie mit fast allen Bezeichnungen der täglichen Sprache) wird ein ganzes Begriffsfeld verbunden, mehr oder weniger treffend, aber höchst selten ganz ohne fundamentum in re (wie der alte Römer sagt).

Und so, wie man die Effizienz und Strebsamkeit von ClubMed-Romanen eher nicht ausdrücken will, wenn man bspw. von »italienischen Verhältnissen« redet, oder nicht wirklich ein Loblied auf die feinsinnige Heiterkeit von Piefkes anstimmt, wenn man die Floskel »Deutscher Humor« in einen Satz einbaut, so ist es eben auch mit anderen Begriffen so. Auch bei »Neger«. Nur — seltsamerweise: das gilt hier einfach nicht. Wenn Weiße sich untereinander veräppeln, speziell die Deutschen als »Piefkes«, »Boches« oder »Krauts« bezeichnet werden, dann ist das ganz okay. Aber sobald man einen kraushaarigen Pigmentbegünstigten als »Neger« bezeichnet, bricht auf einmal das Dritte Reich wieder aus — oder wie?

»Die Presse«, die am Dienstag vormittags noch die Ente verbreitete, Mölzer denke deshalb an Rücktritt, erbost sich zum Schluß ihres bierernsten Artikels:
An Rücktritt denkt Mölzer nicht. Auch Parteichef Heinz-Christian Strache schließt einen solchen aus. Mölzers Darstellung sei „glaubhaft“. Eine Strafverfolgung wegen Verhetzung droht dem EU-Mandatar eher nicht: weil sich die Beschimpfung in erster Linie gegen die EU und nicht gegen eine „Rasse“ richte, so Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. „Die Sache ist aber grenzwertig, weil der Tatbestand unbestimmt ist.“

Auf dem „SZ“-Mitschnitt sind noch weitere „ironische“ Passagen zu hören. Etwa diese: „Da ist es wirklich so, dass alle, von den Portugiesen bis zu den Esten, von den Schweden bis zu den Sizilianern – die nimmt man nicht so wahr, weil sie wirklich nur 1,60 groß sind –, über uns lachen, über die Deutschen und Österreicher. Wir sind die Einzigen, die bei einem Termin einigermaßen pünktlich sind. Wir sind die Einzigen, die um neun schon arbeiten und nicht erst um elf. Und es ist wirklich so.“

Eines, sagt Andreas Mölzer, wundere ihn dabei schon: „Warum hat der Journalist fünf Wochen gebraucht, um aus meinen satirischen Aussagen einen politischen Vorwurf zu konstruieren?“
Nun, Mölzer braucht sich nicht zu wundern: »Aufdeckungsjournalismus« ist immer eine Frage des Timings — und zumeist eine Frage, wann man glaubt, den Auftraggebern dieser heroischen Aufdeckung am besten dienen zu können. Schließlich will man als Journaillist ja weiterkommen. Und wenn es »Die Presse« auch noch so sehr wurmt: zurücktreten sollte Mölzer wegen dieser Lappalie keineswegs. Solange sich die EU-Grünen-Fraktion einen Fraktionschef leistet, der sich von Kindergartenkindern seinen Schwanz befummeln ließ, und darüber noch in einem Buch milde Wortspenden zum Besten gab, kann sich die FPÖ-Fraktion die Ablehnung eines Negerkonglomerates aber noch »mit Links« leisten ...

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P.S.: »grenzwertig« ist übrigens das ersichtliche Bedauern eines Strafrechtsprofessors, ein Meinungsdelikt nicht verfolgen zu können, weil »der Tatbestand unbestimmt« sei. Schon mal was von der Verpöntheit unbestimmter Rechtsbegriffe in Strafgesetzen gehört, Herr Professor? Davon, daß Meinungsdelikte in einer angeblich so »freien« Gesellschaft an sich schon ein Unding sind, wollen wir überhaupt nicht reden ...

Dienstag, 25. März 2014

»Es braucht den Schulterschluss«

... meint Andreas Rüesch heute in der »Neuen Zürcher Zeitung«:
Sicherheit durch weltweite Kooperation – unter normalen Umständen wäre dies ein schönes Mantra für den diplomatischen Grossanlass gewesen.

Doch die Krim-Krise hat den Blick auf hässlichere Realitäten freigelegt. Die Ukraine muss sich heute fragen, ob sie ihrer Sicherheit tatsächlich einen Dienst erwies, als sie 1994 freiwillig aus dem Kreis der Atomwaffenstaaten ausschied und ihre Bomben dem Nachbarn Russland abtrat. Vielleicht hätte sich ein skrupelloser Kremlchef wie Putin auch durch eine nuklear bewaffnete Ukraine nicht vom Raub der Krim abhalten lassen, aber ein solches Arsenal hätte er kaum völlig aus seinem Kalkül ausblenden können. Kiew ist jedenfalls um eine Lektion reicher: Die mit Russland und den USA unterzeichnete Abmachung, die im Tausch gegen die Atomwaffen die ukrainischen Grenzen zu garantieren schien, war ein wertloses Stück Papier.

(Hier weiterlesen)
Ja, etwa so wertlos wie die frühere Vereinbarung, daß die Nato im Gegenzug zur Bereitschaft Rußlands, die anderen Teilrepubliken der früheren Sowjetunion ohne Widerstand völlig unabhängig werden zu lassen, dafür ihre Mitgliedschaften nicht bis an die Grenze Rußlands vorschieben werde. Und etwa so werthaltig wie die konstante Versicherung Washingtons, daß die in Ostpolen stationierten Luftwaffen- und Raketensützpunkte ausschließlich gegen die Bedrohung Europas durch die Heerscharen und Raketen des Iran aufgerüstet werden. Geradezu putzig werden die Vorwürfe von Rüesch, wenn er mit erhobenem Zeigefinger doziert:
In neuem Licht erscheint auch die Warnung von Obamas Herausforderer im Wahlkampf von 2012, Mitt Romney, der Russland damals als «grössten geopolitischen Gegner» Amerikas gegeisselt hatte. Obama hielt dies für einen Rückfall in Denkweisen des Kalten Krieges, und selbst Anhänger Romneys wunderten sich, weshalb ihr Kandidat al-Kaida und China vergessen hatte. Aber al-Kaida ist eine Terrororganisation, kein Gegenspieler von geopolitischem Format, während China mit seinem Aufstieg zwar Ängste weckt, aber zumindest derzeit noch dem Westen bedeutend weniger politische Fallgruben gräbt als Russland. Syrien, Iran, Zentralasien, Georgien und nun die Ukraine sind lauter Schauplätze, auf denen der Kreml seine Erfüllung darin sieht, westliche Strategien zu durchkreuzen, selbst wenn dies – wie im Fall Syrien – bedeutet, mit brutalen Diktatoren zu paktieren. Selbstredend beisst Obama in Moskau auch mit seinem Wunsch nach weiteren Abrüstungsschritten auf Granit. In Putins Welt sind Atomwaffen nicht ein Anachronismus aus der Zeit des Kalten Krieges, sondern eine Quelle der Macht, die es zu bewahren gilt.
Darf man fragen, in welches Niemandsland-Region Herr Rüesch z.B. die brutalen Diktatur in Saudi-Arabien entrückt? Und wie er den seltsamen »Anachronismus« erklärt, mit dem die USA ausschließlich Staaten plattmacht, die keine Atomwaffen haben. Etwa weil Atomwaffen halt doch einen ganz brauchbaren Schutz vor einem Einmarsch von »Friedenskräften« bilden ...? Will Herr Rüesch wirklich einen »Schulterschluß« mit einer US-Staatsführung herbeischreiben, die allein schon für das, was sie im Irak abgezogen hat, sich vor dem Haager Gerichtshof verantworten müßte — wenn sie es nicht vorgezogen hätte, diesen erst gar nicht anzuerkennen? Sieht so die (auch in Österreich als vorbildlich beschworene) Schweizer »immerwährende Neutralität« aus?

Die Antworten der Kommentarposter (bis dato 12) fallen freilich eindeutig aus, und sie sind zu aussagekräftig, als daß sie im Kommentar-Thread der NZZ einfach untergehen sollten. Zwei Pro-Stimmen (von denen eine dennoch für die Schweizer Neutralität plädiert!) stehen dabei 10 Kontra-Meinungen gegenüber:
Obiwan Duglobi • vor 12 Stunden
Respekt für diesen mutigen Artikel, der die Dinge immerhin beim Namen nennt. Der Vorwurf der Völkerrechtsverletzung bzw. Landnahme wiegt zugegebenermassen schwer. Wie wäre es nun aber, wenn die Sezessionsabstimmung auf der Krim unter demokratisch korrekten Bedingungen wiederholt würde; beobachtet oder sogar durchgeführt von der UNO? Zwei Dinge dazu: 1. Sollte der Kreml einen solchen Vorschlag tatsächlich in den Wind schlagen, so bin ich bereit, das Neutralitätslager zu verlassen und mich an der Verteidigung von Europa zu beteiligen. 2. Ich befürchte, dass dieser Vorschlag so öffentlich nie gemacht werden darf - weil die Entscheidträger der alten und neuen Grossmächte keine Präjudizien bezüglich der Sezession von Minderheiten schaffen wollen. Diese würden nämlich nichts weniger als ihre eigene Macht gefährden

Henri Wyler • vor 10 Stunden
Mitt Romney hätte den Westen wohl stärker vertreten als es Obama tut. Dass niemand Putin in die Schranken zu weisen vermag, macht die Situation brandgefährlich. Die Plötzlichkeit von Putins Übergriff auf die Krim hat den Westen kalt erwischt, man leckt sich immer noch die Wunden und ist konsterniert. Man weiss eigentlich noch nicht, wie man reagieren soll und experimentiert noch. Nur die Furcht vor Putins Machtgelüsten steigt, weil bei einem Einmarsch in die Ostukraine unser Wohlstand gefährdet ist, wenn es zu einem Krieg kommt. Man kann ihm am Ende nicht alles durchgehen lassen. Das ist das Dilemma. Deshalb finde ich den Solidaritäts-Appell hier, die Neutralität der Schweiz quasi aufzugeben und sich einzureihen in die westliche Phalanx, politisch ein falsches Signal. Die Schweiz muss ihre eigenen Interessen vertreten, nicht die der EU und neutral bleiben.

Peter Camilleri • vor 14 Stunden
Und was ist damit, das die USA uns alle ausspioniert...? Was ist damit, dass sie Saudi Arabien jede Menge Waffen verkaufen...? Einem besonders demokratischen Staat... ! Oder Lybien, Irak, Syrien, wo die USA auch ihre Finger im Spiel haben... Afghanistan...! Pakistan... Südamerika... Usw...
Rührt hier Herr Rüesch die Kriegstrommeln...? Man soll noch härter vorgehen...? Gäbe es keine Vergeltungen von Seiten Russlands...? Und dann soll man sicher wieder härter vorgehen...?! Usw...!

wirthomas • vor 13 Stunden
Ich bin absolut anderer Meinung. Es ist an der Zeit, keine Schulterschlüsse mit amerikanischen Grossmachtsinteressen mehr zu machen. Sie haben schon genügend Kriege angezettelt und Völkerrecht gebrochen auf der Welt und die EU-Schosshündchen sind als Handlanger eingesprungen - meistens obwohl die Bevölkerung selbst nicht dafür war. Nun haben sie in der Ukraine rechtsextreme Putschisten dafür bezahlt, die Regierung zu stürzen, nachdem die Regierung das Angebot des Westens abgelehnt hat und unterstützen heute eine verfassungswidrige Regierung. Russland, das schon immer auf der Krim war und dafür ordentlich Pacht bezahlt für die Stationierung ihrer Soldaten, hat dafür gesorgt, den drohenden Verlust seiner Krimhäfen an die NATO abzuwenden. Nein, es braucht keine Schulterschlüsse mit Kriegstreibern sondern ein klares Signal an die USA, endlich mit den fremden Einmischungen und Destabilisierungen aufzuhören, für das sie heute ja bekanntlich Milliardenbeträge aufwenden. Stellen wir uns nur mal vor, Russland würde Milliarden ausgeben, um ihnen nicht genehme Staaten zu destabilisieren und die Regierungen zu stürzen. Die USA tun es, und alle machen mit und lassen sich von ihrer Propaganda blenden - unsere Presse inklusive.

Frank • vor 14 Stunden
absolute Nichteinmischung in diese russisch-ukrainische Angelegenheit ist hier angesagt

Walter Staub • vor 13 Stunden
Ist es wirklich gescheint, dafür zu plädieren, Russland immer mehr in die Enge zu treiben? Der Autor meint wohl, ausschliesslich der Westen hätte das Recht gepachtet. Bei angemessener Würdigung der Fakten in Sachen Krim ist das aber leider alles andere als die Realität. Russland ist nicht irgend ein Gegner, den man beliebig in die Enge treiben kann. Tut man es dennoch, kann es höchst gefährlich werden.

fidel • vor 14 Stunden
Nicht wir brauchen den Schulterschluss, Obama braucht diesen. Innen- wie aussenpolitisch...

Bernd Rickert • vor 13 Stunden
Ein Schweizer ruft da etwas voreilig nach Atomwaffen und klammert sich einen anachronistischen Status Quo aus dem letzten Jahrhundert. Unüberlegt sind auch die Vorstellungen zum ehemaligen, ukrainischen Atomwaffenarsenal, das einer notwendigen Wartung und Pflege bedarft hätte, wozu eine souveräne Ukraine damals nicht imstande war. Die Bindung der Ukraine an Russland wäre mit einem ukrainischen Atomwaffen-arsenal womöglich viel enger, als sie jetzt wirtschaftlich bedingt ist. Insofern sind die Gedankenspiele zum möglichen Einsatz von Atomraketen, denn dieser steckt hinter der atomaren Abschreckung, zum Glück nur theoretisch.
Seit Ende des kalten Krieges wurden auch Atomwaffen weiterentwickelt. Das abschreckende Bild alles vernichtender, atomarer Interkontinentalraketen ist so längst nicht mehr vollumfassend gültig. Die abschreckende Wirkung der Waffengattung an sich hat merklich nachgelassen. Gerade die USA hätten da so einiges an Innovationen auch für den Einsatz im Feld zu bieten.

Tamás György Morvay • vor 13 Stunden
"Amerikas Präsident sieht sich auf seinem Besuch in Europa unversehens zum Improvisieren gezwungen." Das kann man aber auch anders sehen: dem amerikanischen Präsidenten fliegt sein eigenes Versagen auf dem Felde der Aussenpolitik in den 5 Jahren seiner bisherigen Amtszeit um die Ohren. Jimmy Carter sah sich in diesen Tagen genötigt, ausdrücklich zu betonen, Obama hätte ihn nicht um Rat gefragt, in der Russlandfrage. Dabei hätte ich schwören können, denselben naiven Dilettantismus, gepaart mit einem tiefen Misstrauen gegenüber allen, die sich schon länger mit Aussen- und Strategiepolitik beschäftigen, vor 35 Jahren schon einmal erlebt zu haben. Die Suppe, die uns der als charismatisch verschrieene Zauberlehrling und Nobelpreis-auf-Vorrat-Träger eingebrockt hat, werden wir noch lange auszulöffeln haben. Wenn es so weitergeht - und es kann doch so nicht weiter gehen, oder - fange ich noch an, George W. Bush als Koryphäe anzusehen.

Werner Moser • vor 12 Stunden
Schulterschluss, um die Krim zurück zu erobern? Oder einer dagegen, dass ein derart grossmächtiges Vorgehen à la Russland zukünftig nicht mehr so "locker vom Hocker" stattfinden kann? Ersteres ist Kaffee von gestern (ausgetrunken!), Zweiteres wird kaum möglich sein. Denn was Russland grossmächtig tut, tun alle Grossmächte auch. Sie scheinen solches Gebahren nötig zu haben, um von Zeit zu Zeit ihrer Grösse gewahr zu bleiben. Die Russland/Krim-Causa war nur so kaltschnäuzig, wegen ihrer Geschichte und daraus langjährige Vorbereitung dazu. Plus eine Ukraine & der Westen, die, in vollkommener Unterschätzung der Sachlage, ganz einfach nicht merkten (oder merken wollten?), wie weit die Katze (Russland) die willige Maus (Krim) in ihren Pranken hielt. Ein Schulterschluss ist (als gegenseitige Stütze) zwar immer gut, macht aber müde. Scharfe Sinne, Augen und Angriffsauslösung, solange das Spiel nicht abgepfiffen ist, wird in Zukunft erfolgsversprechender sein. Denn, als die Krim ihr Plebsizit (z.G. Russland) (irrelevant, ob regulär oder nicht) ablieferte, war der Mist geschauffelt. Halbherzige Schulterschlüsse (vorher/nachher?) dagegen, sind nur noch mehr Schwächezeichen. Die es unbedingt zu vermeiden gilt!

Agnes Juillerat • vor 4 Stunden
"Aber al-Kaida ist eine Terrororganisation, und kein Gegenspieler von Weltformat während China ... ". Wie kann man nur zu einem solchen Schluss kommen?, aber wenn's der künstlich heraufbeschworenen 'Kalter-Krieg-Rhetorik' dient. Ist der Kaida-Terror nicht von Weltformat, können es auch seine Toten in ihrer ungeheuerlichen Opferzahl nicht sein. Ist es das, was der Autor in einem uneingestandenen Zynismus uns sagen möchte?

Opus Dominus • vor 6 Stunden
Allen, die hier die Kriegstrommel rühren, sollte eines klar sein. Deutschland steht dazwischen. Die absolute Mehrheit der Bevölkerung ist gegen jegliche Sanktionen und Militär-Drohungen gegen Rußland. Angela Merkel ist dies klar und deshalb versucht die Kanzlerin immer noch die Vermittlerrolle. Sollte Sie sich auf die Seite der Briten und Amis schlagen, wird Sie hierzulande ein Bürger-Sturm vertreiben. Es wäre ein fataler Irrtum zu glauben, daß Medienhetze, Propaganda und Indoktrination in diesem Land noch erfolgreich sein könnten.

Irgendwie wird die Systempresse da einen orgentlichen Zahn zulegen müssen, um »das Volk« (und selbst eine so elitäre Fraktion desselben, wie es die Leser der NZZ zweifellos sind) doch noch zu überzeugen ...

Montag, 24. März 2014

Europas strahlende Zukunft

 

Der Artikel wurde von Google-Blogger wegen 

angeblichen Verstoßes gegen die Community–

Richtlinien zensiert

 

»Braucht Erdowahn Ablenkung ...

... oder hat der Friedensobama Provokation bestellt?«

Fragt Kommentarposter »EU-Normgurke« zu diesem Artikel. In der Tat: ein Volltreffer, dieser Kommentar ...

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P.S. Poster »Blitzky« konstatiert dazu etwas konsterniert:

Wenn die NATO mit Syrien aber im Krieg ist, dann ist auch Deutschland im Krieg.

Und da wird in Österreich ernstlich ein Beitritt zur NATO diskutiert.
Alles Wahnsinn. 
Das nur Herrn Christian Ortner ins Stammbuch geschrieben, der unsere Lippizaner-Schwadronen wohl am liebsten gleich auf die Krim einmarschieren ließe ...

Sonntag, 23. März 2014

O insancta simplicitas

... möchte man seufzen, wenn man liest:
Steuerhinterzieher sollen künftig bei einer Selbstanzeige Strafzuschläge zahlen und so dem Budget jährlich 50 Mio. Euro bringen, geht es nach der SPÖ. Auch soll es bei Betriebsprüfungen kleine Änderungen geben, und die Verjährungsfrist beim Finanzamt könnte verlängert werden. Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) erhielt Freitag diese Vorschläge vom Koalitionspartner, berichtete Ö1 am Samstag.

"Bei über 50.000 Euro soll ein Strafzuschlag von fünf Prozent dazukommen, bei 100.000 zehn Prozent und bei über einer Million 50 Prozent", sagte SPÖ-Finanzstaats-sekretärin Sonja Steßl im Radio. Derzeit zahlt man bei Selbstanzeige nur die hinterzogenen Steuern und deren Verzugszinsen, was laut SPÖ-Vorschlag nun nur mehr bis zu einer hinterzogenen Summe bis zu 50.000 Euro so bleiben soll. Bei einer Million Euro nicht bezahlter Steuern würde künftig also eine halbe Million Strafe fällig.
Lassen wir einmal die Frage unbeachtet,  warum zwar die Steuerhinterziehung streng betraft wird, aber die Steuervergeudung durch Politgangster straffrei bleibt — eine strafbefreiende Selbstanzeige wird von der Finanz ja nicht deshalb gewährt, weil sie so mild und großzügig wäre, sondernweil sie genau weiß, daß sie sonst eben auf Granit beißen und jeden Vorwurf kleinteilig und haarscharf beweisen müßte. Was oft auch bei den von den Gesetzen eingeräumten Machtvollkommenheiten und darüber hinaus usurpierten Eigenmächtigkeiten von Finanzbeamten nicht möglich ist, solange diesbezüglich der Rechtsstaat noch nicht völlig abgeschafft ist. Welchen Anreiz glaubt Frau Steßl also zu bieten, wenn sie mal flugs 50% Zuschlag fordern will? Wobei solche Fälle ja keineswegs häufig sind — denn wenn's einmal in die Millionenbeträge geht, gibt es eigentlich nur zwei Varianten:

Entweder ist der Betrieb (etwa ein betrügerisches Bauunternehmen) ohnehin durch eine Aktion der Steuerfahndung gestürmt worden, oder eine Betriebsprüfung hat sich aufgrund konkreter Beweise bereits unter Hinweis auf § 99 FinStrG angemeldet (wo es ohnedies keine Selbstanzeige mehr gibt), oder es geht eigentlich um Rechtsfragen über Steuerpflicht bzw. -freiheit, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren eben korrekt abgewickelt würden, jetzt aber in unserer Bananenrepublik zunehmend unter Umgehung dieses Rechtsstaates mit beinharter Erpressung durch die Finanzbehörden »ausgedealt« werden nach dem Motto: »Wir machen Ihnen jetzt ein Angebot, zu dem Sie nicht nein sagen können: entweder, Sie stimmen der Feststellung XY EUR nachzuzahlen sofort zu und erheben keinerlei Rechtsmittel, oder wir werden dafür sorgen, daß Sie ein Finanzstrafverfahren bekommen, das Sie ruiniert.«

So sieht die traurige Realität aus (wie jeder Berater bestätigen kann). Daß dafür ein Berufs-Politruk wie Frau Steßl kein Verständnis hat, ist schon nachvollziehbar. Für sie kommt das bereits versteuerte Einkommen aus Staatstöpfen ohne besondere Mühe, dafür sicher und reichlich. Und ist nichts anderes, als ein Teil jener Verschwendung (wer braucht diese Frau Steßl denn eigentlich wirklich?), die die exorbitante Höhe unserer Steuersätze erklärt. Nicht erklärt allerdings ist, warum die Politruks nicht einmal mit diesen üppig fließenden Mitteln auskommen können, sondern weiterhin Jahr für Jahr Schulden machen ...

Samstag, 22. März 2014

»Franz Ferdinand war die führende Taube«

Interessantes Interview mit dem Historiker Christopher Clark (»Die Schlafwandler«) in der »Presse«. Leseempfehlung!

Freitag, 21. März 2014

An Benedikts Todestag

... ist es zwar liturgisch unstatthaft, aber doch irgendwie passend, ein einem anderen Benedikt zu Ehren gesungenes und musiziertes Requiem, und erst recht das wohl großartigste (nein, bleiben wir objektiv: eines der großartigsten) dieser Gattung, nämlich jenes von Wolfgang Amadeus Mozart, den geneigten Besuchern dieses Blogs zu Gehör zu bringen:


— weiter mit Teil 2Teil 3Teil 4Teil 5Teil 6

»Immer, wenn ich die Musik Mozarts höre, komme ich nicht umhin, in der Erinnerung zu meiner Pfarrkirche zurückzukehren, als ich ein kleiner Bub war und an den Festtagen eine seiner Messen erklang: Im Herzen nahm ich wahr, daß mich ein Strahl der Schönheit des Himmels erreicht hatte, und diesen Eindruck verspüre ich jedes Mal, auch heute, wenn ich diese große, dramatische und heitere Betrachtung über den Tod höre.« (Benedikt XVI)

Donnerstag, 20. März 2014

Tammerlan von Tammistan

... schreibt beim »Antibürokratieteam« markige Sätze:
Putin ist Politiker durch und durch. Er regiert in einem politischen System, das auf zwei Säulen beruht: Unterdrückung und Mechanismen. die die Loyalität großer und/oder einflussreicher Gruppen kaufen können. Erstgenannte Mechanismen sind heute in Russland, erfreulicherweise, stärkeren Einschränkungen unterworfen als zu Zeiten der Sowjetunion. Tatsächlich leben die Russen heute in größerer Freiheit als vor 30 Jahren, (wenn auch in geringerer als vor 20 Jahren). Einige klassische Stimmenkauf-mechanismen werden ihm langsam zu teuer, die Wirtschaft funktioniert nicht, da in vielen Bereichen die unternehmerische Freiheit stark eingeschränkt ist bzw. gar nicht existiert, da es keine stabilen Eigentumsrechte und eine wachsende und nimmersatte Bürokratie gibt. Und deshalb setzt er auf die nationale Karte, mit der man kurzfristig, und zu aktuell niedrigen Kosten, die Loyalität anheizen kann. Dabei ist es irrelevant, ob Putin „tatsächlich“ ein russischer Nationalist ist, also an die Größe Russlands glaubt. Wichtig ist, dass er Russland als sein persönliches Spielzeug ansieht. Das tun Politiker überall auf der Welt gern, aber er hat viel mehr Möglichkeiten als die meisten, sich ungebremst seiner Leidenschaft hinzugeben. Und es geht ihm nicht um das Selbst-bestimmungsrecht von irgendwem – da gibt es viele Menschen vieler Nationalitäten, die das erfahren mussten.

Zweitens, in meiner Rolle als klassischer Liberaler oder auch (nicht ganz konsequenter) Libertärer etwas zum Sezessionsrecht.

Dieses Recht lehnt Putin ja für Gruppen, bei denen es ihnen nicht in den Kram passt, die aber russische Staatsbürger sind, ab. Er unterstützt es lediglich für ethnische Russen, die auf einem bestimmten, angeblich urrussischen Territorium wohnen. Ich unterstütze dagegen das Sezessionsrecht für alle Menschen, für alle Territorien. Kleinstaaterei, oder auch tatsächlicher Föderalismus, haben aus Freiheitsperspektive nur Vorteile. Doch ich habe meine Zweifel, wenn die Sezession nur zu dem Zweck erfolgt, sich unmittelbar wieder einem anderen Staat anzuschließen. Ich unterstütze das Sezessionsrecht der Katalanen, Schotten, Basken, von wem auch immer. Doch ich erlaube mir auch, die Sezession danach zu bewerten, was sie für die individuelle Freiheit aller bringt, nicht nur der Mitglieder des Volkes, das im neuen Gebilde die Mehrheit hat.

[...]

Politik ist eine Sphäre, in der man nur zwischen verschieden großen Übeln wählen kann. Man kann das verweigern. Doch wenn man sich Gedanken über aktuelle Politik macht, ist aus meiner Sicht eines klar: Putin und seine Umgebung gehören zu den größten Übeln, die gerade auf der Weltbühne zu beobachten sind. Und damit schaden sie vor allem den Russen, sogar denen auf der Krim.
Nun ja. Aus meiner Sicht ist klar, daß es noch erheblich größere Übel auf der Weltbühne zu beobachten gibt. Mir ist beispielsweise nicht bekannt, daß Putin den Irak unter dem Vorwand angeblich entdeckter Massenvernichtungswaffen zuerst plattgemacht und dann als völlig unregierbare Kriegsruine zurückgelassen hätte. Oder daß er einen vergleichsweise harmlosen alten Diktator in Ägypten durch radikal-islamische Wirrköpfe ersetzen ließ, die der Entrechtung (bis Ausrottung) der alteingesessenen christlichen Minderheit das Wort redeten. Ich kann mich aber auch nicht erinnern, daß Putin es war, der Tibetaner und Uiguren unter seine Knute gebracht hätte. Das alles waren eigentlich immer Leute, die heute auf Putin mit dem mahnenden und/oder drohenden Zeigefinger losgehen, und ihm »völkerrechtswidriges Verhalten« vorwerfen.

Ach ja, zum Thema Völkerrecht hat Bettina Röhl einen hervorragenden Artikel verfaßt, den ich allen (auch Herrn Tamm) nur lebhaftest zur Lektüre empfehlen kann. Aber ein paar kleine Anmerkungen zu Tamm's Auslassungen seien mir dennoch gestattet:
Tatsächlich leben die Russen heute in größerer Freiheit als vor 30 Jahren, (wenn auch in geringerer als vor 20 Jahren).
Ortners lakonische Lieblingsfloskel in solchen Fällen lautet: »Was raucht der?« — und in der Tat: ohne Konsum psychogener Drogen ist die Einschätzung, daß die Freiheit der Russen vor 20 Jahren größer gewesen wäre als heute, nur schwer nachvollziehbar. Es war die »Freiheit«, unter einem Regime von mit allen Wassern gewaschenen Ex-Nomenklaturisten, die sich als »Oligarchen« durch Korruption und jede Menge anderer Verbrechen in den Besitz von Konzernen und Latifundien gebracht hatten, zu krepieren. Unter dem Applaus westlicher Think-Tanks und »NGOs«, die ihre Aufgabe darin sahen, ganz Rußland als Abzock-Eldorado für expansionsinteressierte East-Coast-Spekulanten zu präparieren und auszusaugen, und denen es, pardon l'expression, scheißegal war, daß die russische Bevölkerung bei diesem profitablen Raubzug verhungerte.
Ich unterstütze dagegen das Sezessionsrecht für alle Menschen, für alle Territorien. Kleinstaaterei, oder auch tatsächlicher Föderalismus, haben aus Freiheitsperspektive nur Vorteile.
Hier kann ich Herrn Tamm durchaus zustimmen. Aber warum findet er dann das offensichtliche Sehnen der Krim-Bewohner so verwerflich, von einer Ukraine, zu der sie (außer seit Chruschtschow) weder politisch, noch ethnisch, noch wirtschaftlich je gehörten, wegzukommen? Etwa weil er sich erlaubt
... die Sezession danach zu bewerten, was sie für die individuelle Freiheit aller bringt, nicht nur der Mitglieder des Volkes, das im neuen Gebilde die Mehrheit hat.
Gut gebrüllt, Löwe! Aber wie sieht denn die Freiheit in einer Ukraine aus, in welcher eine der ersten Regierungshandlungen des Revolutionsregimes darin bestand, in den russisch-sprachigen Gebieten des Landes Ukrainisch zur einzigen Amtssprache zu erklären und Russisch als solche zu verbieten?

Damit die Leser meines Blogs nicht einem Irrtum erliegen: ich »verteidige« hier nicht die Politik Putins (das soll er gefälligst selber machen!) — ich spreche nur aus dem Interesse eines Libertären, der Monopole gleichwelcher Art als Gefahr für die Freiheit erachtet. Auch (und gerade) Macht-Monopole! Und es gibt kein »monopoliger« denkbares Monopol als das einer unipolaren Weltordnung, wo alles und jeder nach der Pfeife Washingtons tanzt. Wo sich die Amis seit Jahrzehnten auf Kosten des Rests der Welt via Dollar=Weltreservewährung den sprichwörtlichen »Gratis-Lunch« genehmigen — den wir alle über den Ankauf grün bedruckten Papiers finanzieren »dürfen«. Und ja, Herr Tamm:
Politik ist eine Sphäre, in der man nur zwischen verschieden großen Übeln wählen kann.
D'accord. Aber wenn ich mir die Geschichte so ansehe, dann sehe ich bei Rußland irgendwie nicht die Gründe, die die Übel eines britischen und französischen Kolonialismus, oder eines US-Imperialismus überstiegen hätten. Streng genommen nicht einmal in Zeiten des kommunistischen Ostblocks — der außerdem schon nach 45 Jahren vorbei war, und seit 25 Jahren wie auch derzeit so tot, wie eine Idee nur tot sein kann ...

Als libertärem Freiheitsfreund sollte einem jede Entwicklung in Richtung auf eine multipolare Welt eigentlich nur sympathisch sein! Und welche Politik denn anders betriebe Putin? Will uns Herr Tamm ernstlich verklickern, daß eine weltweite Machtübernahme durch Rußland zu befürchten stünde?

Libertäre Wolkenkuckucksheime von universellen Sezessionsrechten für alle und jeden will ich Herrn Tamm ja nicht nehmen — obwohl ich sie (wie übrigens auch schon Ludwig von Mises) als sinnlose Glasperlenspiele im Elfenbeinturm des Salonanarchismus ansehe. Aber bevor nun ein solcherart sezediertes Tammistan, über das unser Tammerlan dann voll-libertär herrschen kann, Realität wird (also, ohne daß ich Herrn Tamm's erhoffbare Lebensdauer irgendwie gering veranschlagen möchte: wohl nicht in den nächsten Jahrzehnten), begnüge ich mich mit kleineren Puzzle-Steinen. Als da wären: ein Europa der Vaterländer, das nicht mehr am Rockzipfel der NATO hängen muß, weil es sich nämlich auch mit einem Rußland verträgt, das ja letztlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, als daß es eine effektive Hegemonialstellung gegenüber Mittel-, Nord-, Süd- und Westeuropa einnehmen könnte.

Daß das nicht im Interesse irgendwelcher Bank- und Rüstungskonsortien in den USA ist — nun, das ist mir ebenso bekannt, wie egal. Denn auch deren Interesse an mir beschränkt sich auf das einzige, was ihnen an mir wertvoll ist: mein Vermögen. Von dessen Lasten sie mich gegen Übergabe eines Bündels hübsch bedruckter (und selbstmurmelnd hoch werthaltiger) US-Treasury-Bonds nur zu gerne befreien wollen. Damit sie sich wieder einen Gratis-Lunch mehr genehmigen können.

Sorry: ohne mich.

Deine Sorgen ...

... möcht' ich haben, und das Geld vom Rothschild! So sagt man bei uns in Wien süffisant, wenn sich einer keine Sorgen machen muß, aber eben macht. Wie bspw. Dr. Unterberger in seinem Artikel »Krim: Nicht das Ergebnis macht Sorgen«, in dem er gleich zu Beginn etwas paradox konstatiert:
Dass viele Krim-Bürger für einen Anschluss an Russland gestimmt haben, wäre unter normalen Umständen ok und in Ordnung. So aber ist alles, was dort passiert, eine echte Katastrophe. Fast alles.
Wie das?
Weil auf der Krim eine „Abstimmung“ stattgefunden hat, die mehr an Hitlers „Abstimmung“ 1938 in Österreich erinnert, als an echte Wahlen in Demokratien: Auf der Krim gab es offene Stimmabgaben, manipulativ gestaltete Stimmzettel, keine Auftrittsmöglichkeit für Gruppen mit anderer Meinung als der herrschenden, und Medien gab es für die Gegner Russlands schon gar keine.

Weil es eine Abstimmung unter den Gewehren russischer Besetzer war, was die Vorgänge zur Invasion machten, und ohne dass es auf der Krim zu Menschenrechts-verletzungen gekommen wäre, geschweige denn großflächigen wie einst im Kosovo.

Weil 95-prozentige Wahlergebnisse jeden unabhängigen Beobachter skeptisch machen müssen.

Weil Russland den Vertrag von 1994 bei der Rückgabe der in der Ukraine stationierten Atomwaffen brutal bricht, in dem es damals die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen garantiert hatte, was an den eiskalten Bruch der völkerrechtlichen Neutralität Belgiens in beiden Weltkriegen durch Deutschland erinnert.

Weil es im Westen zu einem erschreckenden Schulterschluss zwischen Links- und Rechtsaußen in der Unterstützung Moskaus kommt, der in der Mitte wie immer von kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen begleitet worden ist ( Diese erinnern an den Lenin-Spruch: Sie werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen).

Weil sich – etwa auch im Internet – ein absurder Antiamerikanismus breit macht, der selbst das rätselhafte Verschwinden eines malaysischen Flugzeugs sofort den USA in die Schuhe schiebt, ohne irgendeinen Beweis zu haben.

Weil in diesen Tagen mehr Regeln des west-östlichen Zusammenlebens kaputt gehen, als seit Jahrzehnten aufgebaut worden sind (wer den russischen Einmarsch auf der Krim – und vielleicht jetzt auch in der Ostukraine – mit dem Besuch westlicher Außenminister in Kiew auf eine Stufe stellt, entzieht sich selber jeder rationalen Diskussion).

Weil wie vor 100 Jahren plötzlich Divisionen aufmarschieren, die dann eigentlich ungewollt einen 30-jährigen Krieg entfacht haben.
Aha. »Ganz Madrid steht unter Wasser ... ... und überhaupt, es ist fürchterlich!« ist man versucht mit Otto Schenk auszurufen. Aber ganz ohne süße Pille läßt uns Unterberger doch nicht in Verzweiflung versacken:
Was macht dennoch vorsichtig optimistisch?

Das ist die kluge Führung in Deutschland, der sich lediglich die dortige ex- kommunistische „Linke“ entgegensetzt, die von Frankreich bis Polen derzeit alle großen Europäer zusammenschweißt, die energische Worte und Sanktionen gegen Russland formuliert, aber alle Kriegsängste dämpft. Das ist der Umstand, dass selbst China die russischen Aktionen direkt verurteilt.

Das ist der Umstand, dass sich Russland wirtschaftlich viel weniger als der Westen eine langdauernde Eiszeit leisten kann, was auch bald die nationalistische Begeisterung der russischen Bürger für den Putin-Kurs erschlaffen lassen wird.

Das ist die (nicht direkt mit der Krim zusammenhängende) Perspektive, dass im Soge der Krise die Energiewende noch rascher als derzeit sich abzeichnend an ein Ende kommen wird. Denn auch langfristig ist das noch auf lange zu hohen Anteilen aus Russland kommende Gas vor allem dann notwendig, wenn weiterhin Sonne und Wind so forciert werden. Denn Gas ist die einzige sinnvolle Ergänzung zu Wind und Sonne, wenn beide nicht scheinen beziehungsweise blasen.
Nun, so schätzenswert Unterbergers Tagebuch meist (eigentlich fast immer!) ist, so sehr haut er freilich diesmal daneben. Und das sehen auch seine Stammleser so, deren beste Kommentare (laut Leserwertung) zu treffend sind, als daß sie im Orkus eines Kommentar-Threads verschwinden sollten:
Peter Brauneis
30x Ausgezeichneter Kommentar
17. März 2014 02:40
Richtig, in der Ukraine dominieren die Katastrophensignale:

Endlich gelingt ein CIA-gesteuerter und Soros-finanzierter Staatsstreich von scheinheiligen Heuchlern, welche sogar Bürgerkriege anzetteln, nur um Macht und Einflussbereich auszuweiten.

Ein gewählter Präsident wurde im Auftrag der Demokratielehrer aus Übersee verjagt.

Hundert Menschen sind von Scharfschützen ermordet. Normalerweise werden in solchen Fällen die Leichen obduziert, die Hülsen untersucht. Hier nicht.

Die Aktienkurse der Waffenindustrie steigen.

Herr Soros lacht sich ins Fäustchen.

Die Oligarchin Timoschenko mit einem zusammengestohlenen Vermögen von 8 Mrd Euro wird von Frau Merkel FDJ-dressiert umarmt. Ihre Komplicen dürfen jetzt Minister spielen und mitfladern. Ähnliches gilt für den Preisboxer.

12 Mrd Euro Steuergeld Österreichs und anderer EU-Nettozahler wird an ukrainische Korruptionisten verschenkt, damit Frau Timoschenko weiter Onkel Dagobert spielen kann.

Das Politbüro der Konzerne (bisweilen auch als EU-Kommission schöngeredet) agitiert weiterhin als Pudel der USA.

Obama, Barroso, Merkel & Co (und sonstige Friedensnobelpreisträger) wußten doch schon immer, was da bei den Revolutionären tatsächlich abläuft - das juckt solche Leute aber überhaupt nicht, schließlich geht es um Macht und Märkte und da spielen Schicksale kleiner Leute keinerlei Rolle. So wie bei den adeligen Fürsten der Vergangenheit.

Herr Schulz macht ein Gesicht, als wäre eine Einheit der Waffen-SS über den Westwall geklettert und im Anmarsch auf seine Heimatgemeinde Würselen (© Henryk M. Broder).

Die Abspaltung des Kosovo von Serbien ist gut, die Abspaltung der Krim von der Ukraine ist böse.

Die gekauften Medien lügen wie gedruckt (siehe Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen). Sie bringen miese Gags und noch fiesere Fakten. Erfreulich, daß Herr Wehrschütz als Ausnahme bisweilen die Regel bestätigt: Der zuständig gewesene ORF-Zensor staubt nun eh schon im Zentralarchiv die Kohlensäcke aus.

Daß - bei diesem Thema - Herr Dr. Unterberger nicht zu jenen seltenen journalistischen Perlen zählt, welche man in den Mainstream-Medien viel zu selten findet, schmerzt.

Dr.Markus Deim
23x Ausgezeichneter Kommentar
17. März 2014 11:39


Solange im ach so tollen Europa die Benes-Dekrete volle Gültigkeit haben, solange der Raub Südtirols durch Italien als ganz normal angesehen wird, solange die Vertreibung und Ermordung vieler Millionen deutscher Menschen in und aus den Ostgebieten nach dem WK II aus den Geschichtsbüchern weitestgehend verbannt wurde, (Deutsche sind offentsichtlih Menschen zweiter Klasse, die kann man ruhig vertreiben und ermorden, sind ja nur böse Nazis), solange hat dieses Europa kein Recht, über Putin zu urteilen, denn immerhin sind über 60% der Krimbevölkeriung Russen. Wir sollten die Goschen halten und vor unserer eigenen Türe kehren, das wäre passender!!
Unterbergers übernahm nach seiner Tätigkeit als Chefredakteur der »Presse« schon vor Jahren die Leitung der Wiener Zeitung, und auch deren polit-induziertes Ende liegt schon wieder Jahre zurück: dennoch scheint sich manch unrühmliche »Presse«-Tradition quasi in den Gen-Codex dortiger Redakteure festgeschrieben zu haben. Dies als Erklärung, nicht als Entschuldigung gesagt ...

Mittwoch, 19. März 2014

»... wenn sie seit Jahren auf der Lohnliste des FC Bayern München stünden«

Oft ändert der Blickwinkel, aus dem man eine Sache, einen Vorgang betrachtet, viel. Manchmal sogar alles. So beispielsweise, wenn man im Fall eines nicht unprominenten Steuer»sünders«, der seit Wochen als Sau durch systemmediale Dorf getrieben wird, einmal mit David Dürr folgende Überlegung anstellt:
Wussten Sie, dass der wirklich ganz grosse Skandal im Hoeness-Prozess noch gar nicht bekannt ist! Das Gericht wurde nämlich massiv bestochen. Eine der Parteien hatte in unverblümter Dreistigkeit versucht, die Richter mit Geld zu vereinnahmen. Und das Schlimmste an allem: Der Bestechungsversuch war erfolgreich. Die Richter haben das Geld angenommen.
 Wenn man dann erbauliche Dinge liest wie z.B. folgendes:
Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle erklärte bereits im Oktober im Handelsblatt offen, aus „Zeitgründen“ werde sich das Gericht noch monatelang nicht zu den EZB-Anleihen im noch ausstehenden Haupturteil zum ESM äußern können. Bei einem Studentenempfang an der Universität Oxford – womöglich einer der Gründe für den Zeitmangel des Gerichts – gab er sich in etwas angetrunken Zustande deutschen Studenten gegenüber entschieden indiskreter: er werde das Urteil solange hinauszögern, bis die EZB Fakten geschaffen habe oder aber, wenn sich das Urteil nach Ablauf von in etwa einem Jahr einfach nicht mehr länger hinauszögern lässt, werde er mit irgendeinem der vielen juristischen Scheinargumente, auf die das Gericht immer zurückgreifen könne, ein Verbot von Draghis Anleihenkäufen als offensichtliche Mandatsverletzung durch die EZB elegant umgehen.
 ... dann weiß man, was von dieser Justiz zu halten ist. Es ist ein System, das von den Parteiapparaten und der Hochbürokratie im eifrigen Zusammenwirken (und Personenidentität an den entscheidenden Stellen) seit Jahrzehnten völlig durchkorrumpiert wurde und wird. Rechtsstaatlichkeit in einer Qualität, daß dagegen Urteile wie weiland des Obersten Gerichts der DDR auch nicht wirklich abfallen könnten. Oder wie ein Kommentarposter im »Gelben Forum« schreibt:
Wer oder was diesem System nicht passt oder in den Weg kommt, das wird zertreten wie eine lästige Kakerlake.
Das einzige, was soetwas verhindert ist ein Abstimmungs- und Initiativrecht kombiniert mit dem verfassungsmässigen Recht Waffen zu besitzen ... wie in der Schweiz.
Leider wahr ...

 

Am Golde hängt, zum Golde drängt ...

Ukrainische Goldreserven sollen in die USA transportiert worden sein 

13. März 2014 - 12:35

Laut einem Bericht der russischen Zeitung Iskra sollen angeblich der gesamten ukrainische Goldreserven in Richtung USA transferiert worden sein. Die Operation soll am vergangenen Freitag auf dem Flughafen Borispol (bei Kiew) stattgefunden haben. Mehrere Fahrzeuge, so heißt es, sollen um 2 Uhr nachts insgesamt 40 Tonnen Gold auf das Flugfeld transportiert haben. Der Transport wurde offenbar von schwerbewaffneten Angehörigen einer „Privatarmee“ begleitet.

Von Borispol soll der Transport des ukrainischen Goldschatzes, verpackt in 40 Kisten, in die USA durchgeführt worden sein. Alarmierten Flughafenbediensteten soll von der Geschäftsführung aufgetragen worden sein, sich nicht „einzumischen“. Der Abflug der Transportmaschine erfolgte von einer abseits gelegenen Notlandebahn.
 ... weiß Unzensuriert.at zu berichten. Nun, wer hätte sowas bloß gedacht ...


Dienstag, 18. März 2014

»Frente Bla«

Lesenswerter Artikel in der »Anmerkung« über Deutschlands Außenminister und seine durchaus verhaltensoriginellen Auslassungen zu Rußland, Krim & Co. ...

Montag, 17. März 2014

Cold War? HOT war!



Nun, da bleibt vermutlich die eine oder andere Laberspalte doch glatt vor Schreck offen stehen (wenn genug Hirn in der Schale ist, um es zu begreifen) — oder wie es ein YouTube-Kommentarposter ausdrückt:
The United States is playing checkers while the Russians are playing chess. Shouldn't have funded the opposing forces in the Ukraine. Blow back is a bitch. Avoid foreign entanglements. What is so hard about that concept and our government?
Touché. Und was hier steht, sorgt auch nicht gerade für Beruhigung. Und dann ist auf »DailyPaul« bezüglich des obigen Video die nicht eben aufbauende Bemerkung zu lesen:
Well Today starts it.
Ron Paul sees the sanctions as an act of war, I think most of us in the 'tireless minority' of the DP agree.
Neocons, McCain, Rand, Obama see Russia simply as an invading, beligerent 'Gas station, masquerading as a Country'. Hubris.
One minute everybody is cheering Russia because 'what they are doing is lawful and what the west is doing is illegal'.
But now, (starting today) the S might really HTF.
If our government messed up, our way of life starts changing drastically.
The economy has been on the cliffedge for a long time now and we let it happen.
Now (as a Country) we swallow the pill and take it like a man.
We KNEW it was going to happen sooner or later.
You know this. I know this. It's not Putin who caused this.
We systematically helped overthrow an elected government, and we are now threatening and sanctioning Russia.
Russia will do what it needs to do to survive... just like any other country.
If it gets hot, it gets worse.. a lot worse.
535 have defeated 300 million for 30 pieces of Silver.
There is no 'Praetorian Guard' in the Capitol to stop the insanity.
They gamble with our lives.
With our lives, too ...

Zur Kenntlichkeit entstellt ist die Fratze

... des »demokratischen Westens«. Wenn ein autonomes Land mit überwältigender Mehrheit nicht mehr nach der Pfeife einer Zentralregierung tanzen will, sondern einen anderen Weg zu gehen beschließt, dann wird dieses Ergebnis von den USA und der EU einfach »nicht anerkannt«.

Es ist immer dieselbe Masche: den Kataloniern, Flamen und Schotten wird unverhohlen gedroht, sich bloß nicht von ihren »Mutterländern« unabhängig zu machen. Den Schweizern wird gedroht, ihre immer bestehenden Unabhängigkeit von der EU bloß nicht anzuwenden, sondern gefälligst in Devotionsbücke alles, was aus Brüssel kommt, als Orakel der Weisheit anzusehen und unbesehen zu übernehmen. Wer sich den geostrategischen Interessen der East-Coast widersetzt, wurde und wird weggeputscht und weggebombt.

Nun, bei Rußland und seinem Präsidenten könnte sich die Kriegspartei in Washington allerdings ein wenig verschätzt haben. Denn im Gegensatz zur schwarzen Marionette im Weißen Haus ist der Präsident im Kreml durchaus Herr im eigenen Haus. Im Gegensatz zur Pseudo-Demokratie à la Washington und Brüssel, in der die Lobbyisten die Fäden ziehen, an denen die Minister und Abgeordneten hampeln, bestimmt Putin weitgehend selbst, welche Politik in seinem Land betrieben wird. Und hat dafür auch durch das klare Mehrheitsvotum seines Volkes die demokratische Legitimation. Und zwar eine deutlich bessere, als Backaroma, oder gar die Mafia von Brüssel ...

Nun ist also das Referendum auf der Krim vorbei. Bei einer Wahlbeteiligung von über 80% der Stimmberechtigten und über 93% Pro-Stimmen ist eines völlig klar: wenn demnach mehr als 75% aller (also auch der nicht gewählt habenden!) Wahlberechtigten für einen Beitritt zu Rußland stimmen, dann können maximal 25% dagegen gewesen sein. Sorry — was wäre daran »nicht anzuerkennen«? Sogar Päpste werden »bloß« mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt — und schon dies gilt als so exorbitante Hürde, daß es jeden so gewählten automatisch mit denkbar großer Legitimation ausstattet.

Das Ergebnis macht außerdem eines klar: da der russische Bevölkerungsanteil auf der Krim nur ca. 60% ausmacht, müssen also auch jede Menge Nicht-Russen (nämlich rund die Hälfte derselben) für den Anschluß an Rußland gestimmt haben. Dies alles wohlgemerkt unter der — ohne Zweifel übertrieben skeptischen — Annahme, daß jeder Nichtwähler automatisch als Gegenstimme zu werten wäre! Wenn nun ein so eindeutiges Votum mit einer 3:1-Majorität einfach  »nicht anerkannt« wird, dann fragt man sich: warum kann — ja: darf! — man dann noch US-Präsidentenwahlen mit ihrem mehr als undurchsichtigen Wahlmänner-Verfahren anerkennen? Und wie erst die Mauschelei-Aktionen, mit denen EU-Kommissionen bestellt werden ...?

Die Lage ist jedenfalls hochbrisant: der Westen hat sich in seinem Bemühen, durch den Aufbau einer immer aggressiver akzentuierten Drohkulisse Rußland zur Unterwerfung zu zwingen, derartig ins Abseits manövriert, daß aus dieser selbstgebastelten Falle ein Entkommen fast unmöglich wird. Zu erwarten, daß Putin nach einem so klaren Votum der Krim feige die Türe weist, um keine Sanktionen zu riskieren, wäre so naiv, daß es schon fast wehtut! Was aber heißt es, wenn es jetzt tatsächlich zu Sanktionen käme? Nun — nichts weiter, als daß die Wahrscheinlichkeit, daß im Westen ein »Schwarzer Schwan« über die Börsenparkette zieht, sprunghaft ansteigen dürfte.

Denn im Klartext: geht der Westen unter dem Vorwand von Sanktionen daran, russische Investments in seinen Volkswirtschaften zu enteignen, dann wird die exakt gleiche Maßnahme auch von Rußland gegenüber westlichen Investments in Haus stehen. Und wenn der Westen aus Begeisterung, endlich Raketenbasen in Minuten-Flugdistanz Richtung Moskau aufstellen zu können, ein bankrottes Armenhaus wie die Ukraine wohlwollend aufnimmt, dann sind die Hilfspakete für Griechenland, Zypern und den restlichen ClubMed geradezu noch wohlfeile Vergnügungsreisen zu nennen. Und, nicht zu vergessen: die Ukraine ist ein gespaltenes Land, wie aus dieser Grafik der Wahlresultate 2010 evident wird:


Und: von welchem Geld will man diese westliche Kraftmeierei eigentlich bezahlen — wo doch jetzt schon die Staatshaushalte krachen wie die sprichwörtlichen Kaisersemmeln? Oder spekuliert man auf einen Weltkrieg (denn darunter hat's keinen Sinn!), in dessen Orkus die Staatsschulden des Westens verschlungen werden, wie seinerzeit die Österreichisch-Ungarischen Kriegsanleihen? Da sollte sich freilich der »demokratische Westen« aber besser nicht verspekulieren! Denn wegen eines »pöhsen Purschen« Putin wird hierzulande keiner in den Krieg ziehen wollen — und erst recht keiner seine Ersparnisse in Kriegsanleihen investieren. Da müßte man schon durch Zwangsanleihen »nachhelfen« ...

Nun, natürlich können sich unsere »demokratischen« Regime das Geld auch anders beschaffen: durch drstisches Anziehen der Steuerschraube (mit Schauprozessen gegen alle, die dem Steuerdruck entkommen wollen), und durch hemmungslose Inflationierung. Und etwaige Proteste durch Zensur abwürgen, bzw. durch Schaffung von Meinungsdelikten kriminalisieren. Natürlich können sie das — und fangen ja bereits damit an.

Nur sollen sie uns dann, bitteschön, mit dem Schmus verschonen, mit einem Krieg gegen Rußland »die Demokratie« retten zu wollen. So viel dreiste Verarschung wäre nämlich seit den Schalmeienklängen der Stalin'schen Verfassung der UdSSR nicht mehr zu vernehmen gewesen ...

Sonntag, 16. März 2014

Mises-Lektüre VIII: „antikommunistische Liberale“

Es gibt heute eine unechte antikommunistische Front. Was diese Leute, die sich selbst „antikommunistische Liberale“ nennen, und die von besonnenen Männern richtiger „Anti-Antikommunisten“ genannt werden, erstre-ben, ist Kommunismus ohne diejenigen immanenten und nicht wegzudenkenden Züge des Kommunismus, die für Amerikaner immer noch unschmackhaft sind. Sie machen eine illusorische Unterscheidung zwischen Kommunismus und Sozialismus und suchen – so paradox es sein mag – eine Unterstützung für ihre Empfehlungen des nichtkommunistischen Sozialismus in dem Dokument, das seine Verfasser „Das Kommunistische Manifest“ nannten. Sie glauben, daß sie ihre Sache bewiesen haben, wenn sie für den Sozialismus solche angenommenen Namen wie „Planung“ oder „Wohl-fahrtsstaat“ benutzen. Sie geben vor, die revolutionären und diktatorischen Aspirationen der „Roten“ zurückzuweisen, preisen aber gleichzeitig in Büchern und Magazinen, in Schulen und Universitäten Karl Marx, den Verteidiger der kommunistischen Revolution und der Diktatur des Proletariats, als einen der größten Nationalökonomen, Philosophen und Soziologen und als einen eminenten Wohltäter und Befreier der Menschheit. Sie wollen uns glauben machen, daß der untotalitäre Totalitarismus, eine Art von dreieckigem Viereck, die Wundermedizin für alle Krankheiten sei. Wann immer sie einen mäßigen Einwand gegen den Kommunismus erheben, sind sie nur zu eifrig bemüht, den Kapitalismus mit Worten zu beschimpfen, die sie dem Schimpf-Vokabular von Marx und Lenin entnommen haben. Sie betonen, daß sie den Kapitalismus leidenschaftlicher verabscheuen als den Kommunismus, und sie verteidigen alle ekelhaften Taten der Kommunisten, indem sie auf die „unaussprechlichen Greuel“ des Kapitalismus hin-weisen. Kurz gesagt: Sie geben vor, den Kommunismus zu bekämpfen, wenn sie versuchen, Menschen zu den Ideen des Kommunistischen Manifestes zu bekehren.
Was diese ihrer eigenen Bezeichnung nach „anti-kommunistischen Liberalen“ bekämpfen, ist nicht der Kommunismus als solcher, sondern ein kommunistisches System, in welchem sie selbst nicht am Steuer sitzen. Was sie erstreben ist ein sozialistisches, das heißt kommunistisches System, in welchem sie selbst oder ihre intimsten Freunde die Zügel der Regierung in der Hand halten. Es würde vielleicht zu weit gehen zu sagen, daß sie darauf brennen, andere Leute zu liquidieren. Sie wollen einfach nicht selbst liquidiert werden. In einem sozialistischen Gemeinwesen haben nur der höchste Autokrat und seine unmittelbaren Helfer diese Sich-erheit.
Eine „anti-etwas“"-Bewegung weist eine rein nega-tive Haltung auf. Sie hat nicht die geringsten Aussichten, Erfolg zu haben. Ihre leidenschaftlichen Schmähschriften preisen praktisch das Programm an, das sie angreifen. Die Menschen müssen für etwas kämpfen, das sie zu er-reichen wünschen, nicht einfach ein Übel verwerfen, wie schlecht es auch sein mag. Sie müssen ohne Vorbehalt das Programm der Marktwirtschaft gutheißen.
Infolge der Enttäuschung, die die Maßnahmen der Sowjets und das traurige Versagen aller sozialistischen Experimente hervorgerufen haben, würde der Kommunismus heutzutage kaum Chancen haben, im Westen erfolgreich zu sein, wenn es diesen betrügerischen Antikommunismus nicht gäbe.
(Ludwig von Mises: Die Wurzeln des Antikapitalismus, pp. 123 ff.)