Donnerstag, 31. Oktober 2013

»Warum Nationalsozialismus Sozialismus war und warum Sozialismus totalitär ist«

Der so betitelte Artikel im Magazin »eigentümlich frei« wird für den regelmäßigen Leser dieses Blogs kaum Überraschungen bergen — doch vergessen wir nicht, daß Suchabfragen häufig genug Leser auf diesen Blog bringen, den sie nie und nimmer gesucht, geschweige denn gefunden hätten!

Und für diese — gar nicht so wenigen — Leser kann die Lektüre des Artikels von George Reisman durchaus augenöffnend wirken:
Heute möchte ich zweierlei zeigen: Erstens, warum Nazi-Deutschland ein sozialistischer und kein kapitalistischer Staat war. Und zweitens, warum Sozialismus, verstanden als Wirtschaftssystem, das auf staatlichem Eigentum an den Produktionsmitteln basiert, eine totalitäre Diktatur benötigt.

Die Kennzeichnung Nazi-Deutschlands als sozialistisches Staatswesen ist eine der vielen großen Leistungen von Ludwig von Mises. Wenn man bedenkt, dass „Nazi” eine Abkürzung für „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei” ist, mag die Mises’sche Gleichsetzung nicht allzu überraschend sein. Wie sollte man denn auch erwarten, dass das ökonomische System eines Landes, dessen Regierungspartei „sozialistisch” im Namen trägt, etwas anderes als Sozialismus ist?

Abgesehen von Mises und seinen Lesern denkt bei Nazi-Deutschland trotzdem praktisch niemand an ein sozialistisches Land. Viel verbreiteter ist der Glaube, es handle sich um eine Form des Kapitalismus, so wie das die Kommunisten und alle anderen Marxisten stets behauptet haben.

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Manchmal freilich mutet die Weltsicht des Autors aus den USA etwas blauäugig an, so z.B. wenn er meint:
Glücklicherweise gibt es immer noch genügend Freiheit in den USA, um diese Entwicklung rückgängig machen zu können. Vor allem gibt es die Freiheit, diese Missstände öffentlich zu benennen und anzuprangern.
Sein Wort in Gottes Ohr — nur: ich glaub's eher nicht mehr! Es gibt — hoffentlich! — noch eine verbliebene Rest-Chance, den allgegenwärtigen sozialistischen Aberwitz rückgängig zu machen, aber das als »genügend Freiheit« zu bezeichnen, ist wohl verfehlt! Es wird vielmehr arschknapp werden, sofern es sich überhaupt ohne Totalkollaps unserer Gesellschaft und blutige Bürgerkriege ausgeht.

Wer das jetzt immer noch optimistischer sieht, mag weiterträumen. Ich habe überhaupt nichts dagegen, in dieser Sache Unrecht zu behalten — nur glaube ich es schön langsam nicht mehr ...

Sieben auf einen Streich!

Jetzt ist auch Teil 7 der Serie von Susanne Kablitz erschienen. Über die Feinde der Freiheit — ein Thema so richtig zum Abgruseln, passend zum heutigen Tag. Da braucht man die Gruselschocker im heutigen Abendprogramm nicht mehr wirklich ...

Mittwoch, 30. Oktober 2013

»Braucht Deutschland eine Tea Party?«

... fragte sich Henning Krumrey vor einigen Tagen in der »Wirtschaftswoche« — und schreibt in dem Artikel u.a.:
Eine Tea-Party-Bewegung, die rigoros den Politikbetrieb blockierte, bis der Marsch in den Schuldenstaat gestoppt wäre, ist hierzulande nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die finanziellen Verpflichtungen von Bund, Ländern und Gemeinden wachsen und wachsen; Ende des Jahres werden es zweibillionensiebzigmilliarden Euro sein. Auch wenn der Bund in den vergangenen Jahren sein laufendes Defizit herunterdrücken konnte: Er musste zwar weniger neue Kredite aufnehmen als früher, aber dennoch häufte er immer mehr Schulden auf. Sparen bedeutete, bloß weniger Geld auszugeben, das man ohnehin nicht hatte.

Im nächsten Jahr soll es einen "strukturell ausgeglichenen" Haushalt geben – klingt schön, heißt aber nichts anderes, als dass die Einnahmen immer noch nicht reichen. Einen Verzicht auf eine Nettoneuverschuldung, wie der technische Ausdruck heißt, plant Finanzminister Wolfgang Schäuble für 2015 – sofern nichts dazwischenkommt: keine Naturkatastrophen, keine Bankenpleiten, keine Euro-Krise, keine Konjunkturdelle. Und keine teuren Wohltaten der schwarz-roten Regierung.
(Hier weiterlesen)
Solche Worte liest man in dieser Offenheit in den Medien nicht eben häufig. Umso wichtiger ist es, sie auch zu lesen. Und zu verbreiten ...

Der Küberl geht so lange zum Brunnnen, bis man bricht

Eine der übelsten Figuren des österreichischen Gremial-Katholizismus, Caritas-Präsident Mag. Franz Küberl, kandidiert nicht mehr bei der kommenden Wahl am 13. November, wie uns »Die Presse« informiert. Seine zwar nicht so medienpräsenten, dafür aber lukrativen und einflußreichen Ämter als Caritas-Direktor der Steiermark und als Stiftungsrat im Österreichischen Rotfunk behält er freilich.


Dennoch: diese selbstgerecht-bauernschlaue Visage künftig nicht mehr so oft in irgendwelchen Nachrichten- und Diskussionssendungen sehen zu müssen, in denen er uns mit penetranter Gutmenschlichkeit irgendeinen dahergeschwurbelten linken Unsinn als christlich-humanistische Werte verklickern wollte, ist schon ein Vorteil ...

Dienstag, 29. Oktober 2013

Die Gurkenkommission der EU ...

... beschloß in einer kurzfristig einberaumten Sondersitzung, daß ab 1.11.2013 alle Mobiltelefone mit Warnhinweisen versehen werden sollen. Diese würden daran erinnern, daß Ferngespräche sowohl für Aktivtelefonierer, als auch für Passivmithörer unkalkulierbare Risiken bergen.

Die Aufdrucke mit Warnungen wie „Vorsicht bei Gesprächen, Freund hört mit“ oder „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!“ oder „Nichts gesagt ist besser als viel geredet!“ müssen zukünftig deutlich auf jedem Endgerät angebracht sein. Kommissionspräsidentin Mandy McHandy stellt hierzu fest: „Nachdem bekannt wurde, daß die mächtigste Frau der Welt von ihren Freunden ausgehorcht wurde, darf niemand mehr seinen Freunden trauen.“

Alle EU-Bürger sind aufgerufen, ihre Endgeräte bis zum 31.10.2013 auf Kosten des Adressaten an ihre zuständigen Geheimdienstzentralen zu senden. Dort werden sie mit Sicherheitschips ausgerüstet und mit dem deutlich lesbaren Wahnhinweis versehen.
Danke, Eulenfurz! You made my day ...

Montag, 28. Oktober 2013

In memoriam Tadeusz Mazowiecki


Der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident Polens ist heute früh im 86. Lebensjahr nach schwerer Krankheit verstorben. Um den ersten Regierungschef nach der Wende 1989 war es seit Jahren wegen seiner schweren Krankheit recht still geworden. Einst einer der engsten Berater und Vertrauten von Lech Walesa, trennten sich später ihre Wege — der stille, tiefreligiöse Gelehrtentyp war auf Dauer wohl nicht der richtige Mitarbeiter eines immer parvenühafter auftretenden Volkstribuns.

Daß er bei der ersten freien Wahl des polnischen Staatspräsidenten im Jahr 1990 im ersten Wahlgang bloß auf den dritten Platz kam, und sich nicht nur Walesa, sondern auch einem bis dahin unbekannten polnisch-kanadischen Geschäftsmann namens Stanislaw Tyminski geschlagen geben mußte, veranlaßte ihn, als Ministerpräsident zurückzutreten.

Seine spätere politische Tätigkeit als Abgeordneter und als UN-Berichterstatter zum Jugoslawien-Krieg war ebenfalls nicht von rauschenden Erfolgen begleitet — Mazowiecki inszenierte sich eben nicht, sondern versuchte tragfähige Kompromißlösungen zu finden, die alle Beteiligte einbinden sollten.
Außenminister Radek Sikorski würdigte Mazowiecki am Montag als „einen der Väter der polnischen Freiheit und Unabhängigkeit“.
... schreibt »Die Presse« in ihrem heutigen kurzen Nachruf. Aber das sind bloß die billigen Wortspenden der Machthaber, die dann von ihren ebenso stereotypen Kranzspenden und Betroffenheitsgesichtern beim Staatsbegräbnis gefolgt werden.

Das Polen, das Mazowiecki (mit vielen anderen) erhoffte, ist nicht gekommen. Es kamen exkommunistische Wendehälse, nationalistische Zwillinge und zuletzt Kreaturen Brüssels. Vielleicht war es da an der Zeit, daß ein Mann von Charakter abtrat ...

Sonntag, 27. Oktober 2013

Interessanter Ausgang der Tschechen-Wahl

Unsere Systempresse ist alamiert. Also muß schleunigst die (für sie — und nur für sie — unerquickliche) Wahrheit so vernebelt werden, daß grenzübergreifende Folgen, gar für die Europa-Wahlfarce 2014 tunlichst ausbleiben. Daher titelt also »Die Presse«:
Wahl in Tschechien: Sozialdemokraten liegen in Führung
Nun, das ist etwa so »richtig«, wie die Feststellung, daß in Österreich am 29. September die SPÖ gewonnen hat. Im Untertitel und Artikel muß »Die Presse« dann doch einräumen:
Die Sozialdemokraten liegen voran, bleiben aber deutlich unter den Erwartungen. Die Grünen schaffen es nicht ins Parlament

Die tschechischen Sozialdemokraten (CSSD) haben die vorgezogenen Parlamentswahlen als stärkste Partei gewonnen, sind aber deutlich unter den Erwartungen geblieben. Die Partei kam auf 20,45 Prozent der Stimmen, was 50 Sitzen im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus entspricht. Dies geht aus dem vorläufigen Endergebnis nach der Auszählung von 100 Prozent der Stimmen hervor.
Auf Platz zwei landete die Bewegung ANO 2011 des Milliardärs Andrej Babis mit 18,65 Prozent und 47 Mandaten im Unterhaus und auf Platz drei die Kommunisten (KSCM) mit 14,91 Prozent und 33 Sitzen. Die liberal-konservative TOP 09 von Karel Schwarzenberg erzielte 11,99 Prozent der Stimmen und 26 Mandate, während die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) auf 7,72 Prozent und 16 Mandate abstürzte.
Ins Parlament schafften es außerdem die Bewegung "Tagesanbruch der direkten Demokratie" des tschechisch-japanischen Unternehmers Tomio Okamura mit 6,88 Prozent und die christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) 6,78 Prozent der Stimmen. Beide Parteien werden im Parlament mit je 14 Abgeordneten vertreten sein.

(Hier weiterlesen)
Da bleibt kein Auge trocken. Die GrünInnen fehlen im tschechischen Parlament nunmehr — wie traurig ... gerade sie hätten doch mit Sozen und Kummerln eine praktische Volksfrontregierung bilden können, aber wieder nix, verflixt!

Die »Neue Zürcher Zeitung« stützt und ergänzt diese fragmentarischen Informationen ein wenig:
Populisten im Vormarsch

Das bemerkenswerteste Ergebnis der Wahlen ist zweifellos das Abschneiden der in den letzten Monaten neu entstandenen, vorläufig schwer lesbaren Formation Ano des Grossunternehmers und Milliardärs Andrej Babis. Ano erreichte 18,7 Prozent und wird im neuen Parlament nur knapp hinter den Sozialdemokraten die zweitstärkste Fraktion bilden. Ebenfalls ein parlamentarischer Neuling, und wie Ano als intransparent und populistisch eingestuft, ist die Partei «Morgenröte der direkten Demokratie» des Senators Tomio Okamura. Die «Morgenröte» kam auf 7 Prozent. Damit zogen Parteien, von denen man nicht weiss, wo genau sie stehen und wie sie sich verhalten werden, über ein Viertel aller abgegebenen Stimmen an.
Was Babis betrifft, wird man ihn wohl als erfolgreichere Version von Österreichs Frank Stronach einschätzen dürfen — ob sein Glanz die kommende Legislaturperiode überdauern wird, bleibt abzuwarten (im Fall von Frankie-Boy ist das mittlerweile nicht mehr nötig, der ist Geschichte, und zwar eine traurige ...).

Wirklich interessant an der Tschechen-Wahl jedoch sind weniger die nach ihren Affairen zu erwartende Abstrafung der ODS und das vergleichsweise stabile Abscheiden der Schwarzenberg-Leute, sondern der Wiedereinzug der Christdemokraten und vor allem der Neueinzug der »Morgenröte der direkten Demokratie« — einer Partei, die sich traut, die nicht nur in der Tschechei den Bürgern allmählich doch sehr auf den Senkel gehende Themen der ständig zunehmenden illegalen Einwanderung und der Ausländerkriminalität offen anzusprechen.

Es wird spannend, ob diese Fragen bei den Europawahlen durch unser korruptes Medienkartell in bewährter Weise ausgespart und diskreditiert werden können — oder ob's den Leuten inzwischen schon so sehr reicht, daß endlich die fast ungestörte Bonzokratie Brüssels doch etwas parlamentarischen Gegenwind zu spüren bekommt. Eine »Morgenröte der direkten Demokratie« hat jedenfalls in Prag ihre ersten Strahlen ausgesandt. Hoffen wir, daß es bald noch viel mehr Europäern dämmert ...

Samstag, 26. Oktober 2013

»Die ersten Photographien des Stadtbilds vom Stephansturm verdanken wir einem gewissen Leopold Weiß«

... schreibt Heinz Piontek über Wien in seinem Buch »Helle Tage anderswo. Reisebilder« auf Seite 131, und kommentiert noch: »... es muß zudem ein glasklarer Tag gewesen sein.«

Eine zurückhaltende, glasklare Prosa. Ich zitierte daraus zu gegebenem Anlaß unlängst frei aus dem Gedächtnis. Freilich: exakte Zitate sind dabei Glückssache (außer bei Schiller, natürlich: die kennt man wortwörtlich, auch die banalsten — wenigstens bis zu meiner Generation). Nun habe ich das Buch wieder aus meiner Bibliothek gekramt, und blättere ... fast sakrilegisch mutet es an, wenn Piontek da (auf dem Flohmarkt oder im Antiquariat?) Photos miteinander vergleicht und in zwei Absätzen die von Huren und von einem Kaiser — vom Kaiser κατ εξοχήν natürlich — nebeneinanderstellt:
Aus einem Album mit Wiener »Callgirls« (um 1870) gab es noch über ein Dutzend Aufnahmen. Liebesdienerinnen aller Schattierungen ritten angestrengt auf Stühlen und Tischen, um uns Betrachtern Schauer über die Haut zu jagen. Ihre Beine waren die Hauptsache. Sie boten sie an wie warme Semmeln, mit und ohne Strumpfbänder, in enggeschnürten Stiefelchen, über die das Fleisch quoll, bis zu dem Punkt, wo Beine keine Beine mehr sind. Gleich nach der Schau der Extremitäten kam der sagenhafte Aufputz ihrer Roben und Negligés; die lächerlichen, lieben, tierhaften, ausweglosen Gesichter entdeckte man erst ganz zum Schluß. So also sahen die Wunschbilder unserer Urgroßväter aus.


Merkwürdig, daß der immer wieder gescheiterte Franz Joseph von seinem Volk vergöttert worden war. Warum hatte das Volk, sonst doch nur für die Sieger, die Glücksritter schwärmend, ausgerechnet an diese Gestalt sein Herz gehängt? Von den Photos des Kaisers strahlte nichts aus, was einen Fingerzeig hätte geben, die außergewöhnliche Liebe erklären können. Ein ordensgeschmückter alter Herr, die Plagen eines langen Lebens in den Schattengruben des Gesichts. Einer ohne Fortün und doch ausgezeichnet durch ein einzigartiges Glück.
Gleich daran schließt er Impressionen eines Besuchs in Rohrau: »Unauffällig mitten in einer der Häuserzeilen das Geburtshaus Joseph Haydns. Hier also. Der Früheste unter den Großen ...« — und Piontek schreibt 1973 im Nachwort seines Buches:
Fremde als etwas Malerisches oder gar »Aufregendes« habe ich nie gesucht. Mir genügte das Ungewohnte, an dem ich meine Blicke und Sätze schärfen konnte. Das Auge braucht hin und wieder den offenen Raum. Sprachlicher Sensibilität tut eine frische, durchaus nicht immer schmerzlose Reizung gut. Freilich, auch das Sich-Wohlfühlen, die Freiheit vom täglichen Ballast, das Vergessen deutscher Arbeitswut gehört zu meinen Reisen.
Ein Außenseiter, zunehmend, in jener Zeit. Keiner, der im »politisierten Literaturbetrieb der Sechziger und Siebziger Jahre« (wie die Wikipedia in einem seltenen Anflug von Wahrheit formuliert) Gehör gefunden hätte bei den Kritikern und Meinungsmachern. Was wollte dieser »Naturlyriker«, was sollte man auch mit diesem »... Vertreter „reiner Poesie“, mangelnden gesellschaftlichen Engagements und von Eskapismus ...« anfangen? Dennoch ist die Liste seiner Auszeichnungen und Preise (damit Wikipedia doch zu etwas gut ist!) lang:
1985 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1992 den Bayerische Verdienstorden. Übliche Ehrungen, wie für einen hohen Beamten, beispielsweise des Museumsdienstes.

Die Leser hielten dem »Außenseiter« dennoch die Treue. Was er selbst als »Graphik in Prosa« bezeichnet hatte, verstanden sie offensichtlich besser als die Kritiker, die »engagierte« Literatur einfordern wollten, und nur zu gern vergaßen, daß der, der sich engagiert, sich nur zu leicht von jemandem engagieren läßt — als Mittel zum gesellschaftspolitischen Zweck. Doch verzweckte Kunst ist selten eine.

Heinz Piontek verstarb heute vor zehn Jahren im 78. Lebensjahr. Mehr als fünfzig Jahre davor, 1952, schrieb er, als junger Mann von siebenundzwanzig, das Gedicht
Die Furt

Schlinggewächs legt sich um Wade und Knie,
Dort ist die seichteste Stelle.
Wolken im Wasser, wie nahe sind sie!
Zögernder lispelt die Welle.
Waten und spähen - die Strömung bespült
Höher hinauf mir den Schenkel.
Nie hab ich so meinen Herzschlag gefühlt.
Sirrendes Mückengeplänkel.
Kaulquappenrudel zerstieben erschreckt,
Grundgeröll unter den Zehen.
Wie hier die Luft nach Verwesendem schmeckt!
Flutlichter kommen und gehen.
Endlose Furt, durch die Fährnis gelegt -
Werd ich das Ufer gewinnen?
Strauchelnd und zaudernd, vom Springfisch erregt
Such ich der Angst zu entrinnen.
Am 26. Oktober 2003, entronnen der Angst, hat er das Ufer gewonnen ...

Man könnte es folgendermaßen ausdrücken

»Die Luxemburger sind ihr altes Mega-Arschloch
für einen Bettel
losgeworden.«

Nicht alle kommen freilich so billig davon, denn die EU (=Europäische Untertanen) werden dieses Arschloch demnächst als Kommissions- oder Ratspräsident (oder halt sowas in dieser Kategorie) serviert bekommen — was wetten wir? Denn zu der ganzen Eurokratenbande paßt er ja wie maßgeschneidert:



Daher irren all jene leider, die jetzt schon seine markigsten Sprüche in Goldgravur auf seinen Grabstein meißeln wollen, wie beispielsweise:
»Die Dinge müssen im Dunkeln getan werden. Wenn es ernst wird, müssen wir lügen.«

»Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.« (DER SPIEGEL 52/1999)

»Wir müssen den Euro retten, und sei es mit aller Gewalt.« (im ORF ZIB 2012)
Ob der Schoß, aus dem das kroch, noch fruchtbar ist, entzieht sich unserer Kenntnis, aber zäh lebens- und überlebensfähig ist er noch lange. Leider. Vielleicht ein guter Tag für Luxemburg — aber sicher ein schlechter für die übrigen 99% der EU.

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 P.S.: Wer sich Bettel & sein Bubi als Gäste einer Prinzenhochzeit ansehen will — hier werden Sie geholfen. Na, da kommt die Welt nach Schwesterwelles baldigem Abgang wenigstens nicht aus der Übung, sich bei Staatsbesuchen aus Europa für den schnuckeligen Bettmann des frischgebackenen Staatsmannes ein geeignetes Damenprogramm ausdenken zu dürfen ...

Freitag, 25. Oktober 2013

Schädliche Sozialpolitik

In ihrer kleinen Serie »Ein Mann – Ein Wort! – Ein Gespräch zwischen Vater und Tochter über ...« geht es bei Susanne Kablitz  im fünften Teil um »schädliche Sozialpolitik«. Aktuell wie nie! Lesenswert wie immer! Die vorherigen Teile der Serie finden Sie hier: Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4.

Amüsant: Broder & Tell



Und wie zur Bestätigung dieses Videos kam gestern die Meldung:
EU verbietet Staubsauger mit mehr als 1600 Watt Leistung

Die EU verpasst Staubsaugern ein Energie-Label und drosselt den maximalen Stromverbrauch. Industrievertreter beruhigen: "Je mehr Watt, desto besser" gelte schon lange nicht mehr.

Ab September 2014 dürfen in der EU nur noch Staubsauger verkauft werden, die weniger als 1600 Watt Leistung erbringen, ab 2017 dürfen es maximal 900 Watt sein. Außerdem müssen Staubsauger - ähnlich wie Kühlschränke - mit einem Energie-Label versehen werden. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Die Verordnung der EU-Kommission wurde schon vor einigen Wochen im Amtsblatt veröffentlicht, heißt es im Bericht. Allerdings habe die Öffentlichkeit dem Thema keine große Beachtung geschenkt.
Und die von diesem Regulierungswahnsinn profitierenden staatsnahen Großkonzerne jubeln — wie seinerzeit beim Glühbirnenverbot. Denn da kann man wieder mal Knete auf Kosten der Konsumenten abgreifen, und dieses Abcashen noch als Akt der gutmenschlichkeit verkaufen (»Wir unterstützen die Energiewende und retten so das Weltklima!«. Kommentarposter »bye bye Austria« meint dazu treffend:
Nach der Olivenölkännchen-Blamage musste scheinbar schnellstens ein ähnlicher Unfug her, damit nur ja keine zeitliche Lücke beim faschistoid-diktatorischen Bürger"beglücken" gefühlt werden kann...
Mich würde ernsthaft interessieren wie viel von meinem gesamten Haushaltsenergieverbrauch auf den STAUBSAUGER (!!!) entfällt.
Man darf gespannt sein wie lange sich die geduldige Bevölkerung noch dermaßen von von ihnen höchstbezahlten Narren ver####en lässt.
Und wie viel % EU-Gegner-Parteien in der ganzen EU bei den nächsten Wahlen dazugewinnen ohne auch nur einen Finger dafür rühren zu müssen.
Nun, bei der bekannten Blödheit unserer Wählerschaft ist das vielleicht unangebrachter Optimismus. Aber immerhin besteht die Chance, das sich die Leute vielleicht doch nicht länger Scheiße am Kopf verreiben lassen ... ... Ein anderer Kommentar lautet:
DIe EU marschiert immer schneller und immer weiter in Richtung ehemaliger Ostblock

Egal ob Bürgerbespitzelung, Einmischung in den Markt, immer höhere und skurrilere Steuern, Bevormundung oder Ignorieren des Bürgerwillens, die EU ist auf dem besten Weg zu einer EUDSSR zu werden. Kommissare und ein Scheinparlament haben wir ja schon und unsere Gesetze kommen bereits zu über 80% aus Brüssel, ohne demokratische Kontrolle.
Jetzt ist der Markt dran, der Staat weiss besser was der Bürger braucht als er selber, glaubt der Staat-
Wie in der guten alten DDR, dort bestimmte das Politbüro, was gut für die Bürger ist und was nicht. Der Trabi wurde als völlig ausreichendes Auto festgelegt und das war es dann. Die EU bestimmt, welches Leuchtmittel ich benutze, wie viel Watt mein Staubsauger hat und wie stark meine Gurke gekrümmt zu sein hat.
Man sollte diesen Damen und Herren einmal zeigen wo der Hammer hängt.
»Die Presse« titelt jedenfalls über die kommende EU-Wahlfarce:


Strache positioniert sich für die EU-Wahl

Strache betont seine Liebe zum Heimatland Österreich, sieht keinen Platz für die Türkei, will raus aus dem Euro und bezeichnet die EU als Räuberbande.
Dazu kann man nur sagen: wo er recht hat, hat er recht ...

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Ein weiser Artikel in einer bloß gerissenen Welt ----

Josef Bordat (»Jobo72's Weblog«) hat wieder einen seiner weisen Artikel geschrieben. Den möglichst viele lesen sollten, die diese weisen Artikel sonst nicht lesen. Und den diese vielen daher auch nicht lesen werden — und nicht lesen würden (freiwillig wenigstens nicht!), weil es sie an ihren ideologischen Scheuklappen irremachen könnte. Und weil sie viel zu gerissen sind, dieses Risiko einzugehen, mit dem sie so gut das persönliche Wohlbefinden, zu den wahren Guten zu gehören, mit dem Abgreifen von Systemerhaltungsknete (sei sie Presseförderung, sei sie Medienpreis, sei sie Artikelhonorar benamst) verbinden können.

Es muß daher noch offen bleiben, ob Josef Bordats optimistische Annahme »Der Papst bleibt katholisch, der Bischof im Amt« auch tatsächlich Bestand hat. Denn die Vorgangsweise unserer Medienhyänen ist erfahrungsgemäß anders. Die sind erst dann zufrieden, wenn sie das Opfer gefressen, verdaut und ausgeschieden haben. Oder — wenn plötzlich ungleich lockendere Beute auftaucht. So gesehen müßte man dem Limburger Bischof fast wünschen, durch einen Mega-Skandal aus der Aufmerksamkeit der Journaille zu geraten.

Was ihn freilich noch nicht aus der Verfolgung seiner kircheninternen Kritiker befreien wird, gegen die die Unbarmherzigkeit der Medienhyänen oft noch fast putzig unbedarft zu nennen ist. Und deren Aufmerksamkeit auch weit schwerer ablenkbar ist. Der Literaturkenner wird sich an Honoré de Balzacs »Pfarrer von Tours« erinnern, der Psalmenkenner sich eines ironischen Lächelns bei der Lektüre von Ps. cxxxij (»Ecce quam bonum et quam jucundum,habitare fratres in unum !« — das anschließende »unguentum in capite« ist vermutlich die butte, die die meisten davon am Kopf haben ...) nicht enthalten können.

Möglicherweise behält aber auch Josef Bordat recht. Denn die Hoffnung — wie der Russe sagt — stirbt zuletzt ...

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P.S.: Dr. Cora Stephan fand zu diesem Thema höchst unjournalistische Worte, so wie schon Dr. Andreas Unterberger (wenngleich teils etwas vorsichtiger gewogen, dafür weiter ausgreifend) vor ein paar Tagen. Immerhin: es gibt auch weiße Krähen, die lieber ihren Artgenossen ein Auge aushacken, wenn's sein muß, statt im Schwarm mitzukrächzen ...

Noch nie wird sich Backaroma so gefürchtet haben!

Pah! Was sind Impeachment-Drohungen, Schuldengrenze, ermordete US-Diplomaten in Libyen etc. gegen den Schrecken, den Merkels entschlossener Telefonanruf (etwa von ihrem abgehörten Handy aus? Für die Akten, sozusagen ...) beim schwarzen Herrn des Weißen Hauses auslöste:
Die Mitteilung von Regierungssprecher Steffen Seibert im Wortlaut:

»Die Bundesregierung hat Informationen erhalten, dass das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise durch amerikanische Dienste überwacht wird. Wir haben umgehend eine Anfrage an unsere amerikanischen Partner gerichtet und um sofortige und umfassende Aufklärung gebeten.

Die Bundeskanzlerin hat heute mit Präsident Obama telefoniert. Sie machte deutlich, dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht. Unter engen Freunden und Partnern, wie es die Bundesrepublik Deutschland und die USA seit Jahrzehnten sind, dürfe es solche Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Dies wäre ein gravierender Vertrauensbruch. Solche Praktiken müssten unverzüglich unterbunden werden.

Im Übrigen äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Erwartung, dass die US-Behörden Aufklärung über den möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland geben werden und damit Fragen beantworten, die die Bundesregierung bereits vor Monaten gestellt hat. Als enger Bündnispartner der Vereinigten Staaten von Amerika erwartet die Bundesregierung für die Zukunft eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit.

Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofalla, ist heute Nachmittag mit dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann, und dem stellvertretenden Vorsitzenden, Michael Grosse-Brömer, zu einem Gespräch zusammengekommen und hat sie über die im Raum stehenden Behauptungen informiert.

Daneben fanden in Berlin hochrangige Gespräche mit Vertretern des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums statt, mit dem Ziel, die Sachverhalte aufzuklären. Diese Gespräche müssen fortgesetzt werden.«
Das gelähmte Entsetzen, das auf diese an entschlossener Deutlichkeit bzw. deutlicher Entschlossenheit schwer überbietbare Statement hin in Washingtons Machtzentrale ausbrach, kann man an der darauf gegebenen Antwort ablesen:
Die Mitteilung von US-Regierungssprecher Jay Carney im Wortlaut:

»Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel haben heute am Telefon über die Vorwürfe gesprochen, dass die National Security Agency der USA die Kommunikation der deutschen Kanzlerin abgefangen hat. Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden.

Die Vereinigten Staaten schätzen sehr unsere enge Kooperation mit Deutschland in einer großen Bandbreite geteilter Sicherheitsherausforderungen. Wie der Präsident sagte, überprüfen die Vereinigten Staaten die Art, in der wir Geheimdienstinformationen sammeln, um sicherzustellen, dass wir angemessen die Sicherheitsbedenken unserer Bürger und Alliierten mit den Bedenken über die Privatsphäre in Einklang bringen, die alle Menschen teilen.

Beide Spitzenpolitiker vereinbarten, die Zusammenarbeit zwischen unseren Geheimdiensten weiter zu intensivieren; mit dem Ziel, die Sicherheit beider Länder und unserer Partner zu bewahren sowie die Privatsphäre unserer Bürger zu schützen.«
Mit einem Wort — der eigentliche Inhalt in Kürze (der »Succus«, wie der Bildungsbürger zu sagen pflegt) ist: »Geht's doch alle sch.....!«

Man sieht: es geht nichts über vertrauensvolle Zusammenarbeit unter Verbündeten auf Kosten ihrer Untertanen ...

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P.S.: Das Antibürokratieteam arbeitet da noch ein paar interessante Facetten heraus.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Unter dem bzw. über den Deckmantel

... der Meinungsfreiheit berichtet Kollegin Eulenfurz einfach Erschreckliches.

Neuigkeiten von der Religion des Friedens

In Brunei wurde die Scharia für die moslemische Bevölkerung eingeführt. Inklusive Steinigung für Ehebruch, Händeabhacken für Diebstahl und was halt sonst noch so dazugehört. Im Jemen wurde ein 15-jähriges Mädchen, das sich angeblich mit ihrem »Verlobten« getroffen hatte, vom Herrn Papa bei lebendigem Leib verbrannt — die Familienehre verlangt es so, wissen wir ja ... Die Tat wird von der jemenitischen Polizei und Justiz mit in derlei Fällen bekannt schaumgebremster Nachdrücklichkeit verfolgt werden.

In der Türkei ist es seit kurzem für Frauen in staatlichen Behörden wieder »erlaubt«, mit Kopftüchern verhüllt zu arbeiten. Die EU begrüßt dies als Schritt zu mehr religiöser Freiheit — so nach dem Motto: »Freiheit ist immer die Freiheit des Andersgekleideten«, welche selbstmurmelnd bspw. das Dolch- & Turbantragen in allen Lebenslagen für Sikhs zum unabdingbaren Menschenrecht macht, oder die Ganzkörperverzeltung samt Gesichtsvermummung für Muselmaninnen, aber ein Kreuz am Halskettchen einer Krankenschwester als unerträglichen Affront gegenüber Nichtchristen mit der umgehenden Entlassung dieser Person ahndet.

Und deshalb öffnet die EU auch flugs ein weiteres Kapitel ihrer Beitrittsverhandlungen zur Türkei ...

Montag, 21. Oktober 2013

Zur 125. Wiederkehr des Geburtstages

... eines heute nahezu ebenso vergessenen, wie seinerzeit vielgelesenen Schriftstellers, seien ein paar Absätze aus dem Vorwort seines Buches »Einsames Leben« — es zählt meines Erachtens zu seinen schönsten — an den Beginn dieses Gedenkens gestellt:
Als ich bei der Schachpartie saß, auf die sich mein geselliger Verkehr immer ruhiger beschränkt, drangen die heiligen Drei Könige ins Café. Ungestüm, denn sie froren an ihren baumwollenen Trikotbeinen. Hinter ihnen blies die reine Winterluft in unsere durchrauchte Wärme ...
Und der Autor beginnt,von dieser kurzen Szene in der Schachpartie aufgestört, nachzudenken, daß er in den letzten vier Jahren, in denen er im Schweizer Tessin, genauer: in bzw. bei Locarno, lebte (aus dem 1935 veröffentlichen Buch geht nicht hervor, daß dies der Hitlerei geschuldet war, und keineswegs freiwillig, oder aus bloß klimatischen Gründen erfolgte!), immer müßiger geworden sei. Im ersten Jahr ein Buch und allwöchentlich ein Feuilleton, im zweiten nur ein Buch, im dritten nur mehr die Pläne zu einem — und nun: gar nichts mehr. Und im Hinansteigen zu seinem Haus sinniert der Autor:
… das Leben ist einmalig. Wer es schon zu Ende der Vierzig geruhsam verdämmern läßt mit ein wenig Gärtnern und Briefe schreiben und Schachspielen: mißbraucht der nicht die einmalige Gabe?
Aber ich habe — wandte ich meinem mahnenden Gewissen ein — zwanzig Jahre schwer gearbeitet; ich habe mich nachts in Zeitungsredaktionen abgehetzt, ich habe Jahre in den Tropen geschwitzt und geschafft. Habe ich jetzt nicht das Recht, Schach zu spielen und Himbeeren aufzubinden? [...]
Inzwischen war ich ein Stück hochgekommen. Unten am See flimmerte Lichter oben über der Alpe flimerten die Sterne. Kalt und rein zerblies der Wind meine Ausreden: vier Epiphania-Abende in Locarno und jeder fand dich träger! Wäre es so, wie du denkst und dein müßiges auch ein würdiges Leben: weshalb dann die Scham, wenn du andere an schwerer Arbeit siehst? Warum täuschst du dir selbst Arbeit vor, grübelst am Schreibtisch und — landest bei einer Patience?[...]
Wie spielst du Schach? Mittelmäßig. Wie gärtnerst du? Ungeschickt. Ist das die Aufgabe deines Lebens?
Nein, die bescheidene Gabe deines Lebens ist die Darstellung durch die Schrift und deine Aufgabe ist es, diese Gabe so zu nützen, wie der gute Gärtner und der gute Schachspieler die ihre. Du hast es früher getan — tue es weiter!
Und im grübelnden Kopf des Autors entsteht in ersten, vagen Umrissen der Plan zu dem diesem Vorwort folgenden Buch:
Wie wäre ein Buch über mein ruhiges, einsames Leben? Seine Darstellung wäre Rechtfertigung seiner Müßigkeit. Und indem ich mein kleines eisernes Gartentor aufschließe, fühle ich die Gabe, die mir die heiligen Drei Könige gebracht haben.
Ja: das Buch ist eine Perlenkette kurzer Kapitelchen, die sich mit Gott und der Welt, mit Leben und Sterben, mit Leben und Leben-lassen, mit Passionen und Marotten, mit Tieren und Pflanzen, mit dem Reisen und dem Hausbau befassen — eines lesenswerter und entzückender als das andere! Und, nein: dieses Buch wurde kein wirklicher Bestseller! Mehr als zehn Jahre später, nach dem Zweiten Weltkrieg, verzeichnet das Impressum des Exemplars, das ich besitze: »21.-23. Tausend« — welch ein auflagenmäßiger Abstieg gegenüber den gefeierten, zu vielhunderttausenden, die Übersetzungen mitgerechnet vielleicht gar millionenfach verkauften Reisebüchern der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre, wie: »Ein Bummel um die Welt« (1927), »Heitere Tage mit braunen Menschen« (1929), »Funkelnder Ferner Osten« (1930), »Zickzack durch Südamerika« (1931) und »Ernte« (1934).

Aber heute? Wer kennt ihn denn noch (und wohl nur der ausgewiesene Literaturexperte hat ihn aus den Angaben der vorstehenden Absätze vielleicht erahnen können) — den einst gefeierten Reise-, Garten- und Tierschriftsteller (wobei diese Etiketten, bei fraglos oberflächlicher Berechtigung, nur eine ungenügende Beschreibung seines Schaffens sind!) Richard Katz (21.10.1888-11.11.1968) ...? Fast niemand mehr.

Richard Katz (1888-1968)
Er ist eines der vielen Opfer der Nazizeit und ihres Ungeistes, die diesen Prager Deutschösterreicher, diesen religiös denkenden, doch zugleich gedanklich immer freien Katholiken Richard Katz, der nach dem Ersten Weltkrieg wegen der durch tschechischen Nationalismus für die Pragerdeutschen immer unerquicklicheren Situation nach Berlin gegangen war, von dort aber 1933 wegen seiner »rassischen Abstammung« zur Emigration nach dem Tessin veranlaßte, diesen Richard Katz, der im Jahr 1941, als die Schweizer Behörden auf Druck der deutschen Gesandtschaft in Bern immer nachdrücklicher seine Weiterreise urgierten, zum dritten Mal, diesmal nach Brasilien, flüchten mußte.

Nicht, daß er in der Emigration hätte darben müssen, das wirklich nicht! Er hatte es durch seine rechtzeitige Flucht aus Berlin geschafft, 1933 noch ohne große Verluste sein durch die Bucherfolge erworbenes Hab und Gut in die Schweiz zu retten, war nun geschätzter Autor des angesehenen Schweizer Verlagshauses Eugen Rentsch, konnte also auch während des Zweiten Weltkriegs — wenngleich durch das Verkaufsverbot in Hitler-Deutschland deutlich eingeschränkt — weiterhin Bücher schreiben und publizieren. Dennoch: nach 1945 kam zunächst die weitere Zäsur, daß wegen der Handels- und Devisenbeschränkungen Bücher aus dem Ausland (also auch der Schweiz) bis 1951 nicht nach Deutschland geliefert werden konnten — und außerdem: Richard Katz hatte sich mit manchen Sätzen in seinen Nachkriegsbüchern nicht wirklich beliebt gemacht, so z.B. wenn er 1951 etwa meinen näheren Landsleuten attestiert:
»Das erste, was der Fremde an den Wienern bewundert, ist die Elastizität, mit der sie ihre Meinung über Deutschland geändert haben. Leute, die vor Freude weinten, als der Führer einzog, beben jetzt vor Ingrimm, wenn auch nur sein Name fällt. Vielleicht gehört das, wie die Schrammelmusik, zum Fremdenverkehr, zu dem ja die Deutschen nichts mehr beisteuern können. Vielleicht reden die Wiener untereinander anders. Ich weiß es nicht: den Touristen gegenüber präsentiert sich das Wiener Herz wie neu vergoldet.« (Katz: Wandernde Welt, S. 167f.)
O ja, das trifft (als »seit Ewigkeiten« in Wien ansässiger, und dadurch irgendwie längst zum Wiener mutierter Nicht-Wiener weiß ich leider wie sehr!) pfeilgerade ins »goldene Wienerherz«! Oder, im selben Buch, über seine Eindrücke aus Berlin:
»Die alte Deutsche, die mir da entgegenkommt und den eingefallenen Mund zu einem Willkomm-Lächeln verzieht: wer würde dem freundlichen Weiblein ansehen, daß sie einmal das »Pimpfenheim« in Monti geleitet und ihre Bubenschar mit »Heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt!« an meinem Zaun vorbeigeführt hat? — Oder wer traute dem alten Berliner Ehepaar, das sich nun wieder freundnachbarlich naht, den Freudentanz zu, den es einmal beim Einmarsch der Deutschen in Paris aufgeführt hat?« (a.a.O. S. 165)
Mit solchen Betrachtungen machte man sich bald nach 1945 ebenso wenig Freunde, wie dafür heute wiederum seine Reisebücher, in denen er — horribile dictu! — mehrfach von »Negern« schreibt, wohl von Hannöver'schen Stadtverwaltungen, die ein »Zigeunerschnitzel« von Speisekarten verbannen, rechtens aus der Stadtbibliothek ausgesondert werden müßten (bloß daß er's, nicht, was er schreibt, denn das sollte die flachköpfigen Kritikaster eigentlich halbwegs zufriedenstellen)! Vielleicht werden sie dereinst noch verbrannt? Wer weiß — der Schoß ist fruchtbar noch ... ... ach, was soll's! Die SAntifa marschiert längst wieder in ruhig festem Tritt, und wenn er gleich mitten ins Gesicht eines liebenswürdigen, lebensklugen, klarsichtigen Nazi-Emigranten ginge!

Richard Katz trug — mehr seelisch als finanziell, aber wohl auch dieses! — an dem Schicksal, nach dem Zweiten Weltkrieg quasi als »Kollateralschaden« um seinen schriftstellerischen Erfolg gebracht worden zu sein, durchaus schwer, wenn er es sich in seinen Büchern auch nicht anmerken läßt (die werden vielmehr immer altersweiser, reifer, scheinbar leichter und unbeschwerter!) bis hin zu seinem letzten, meisterhaft dahinplaudernden Werk »Steckenpferde« (1967), das auf knapp 300 Seiten die vielfältigen Hobbies des Autors vorstellt — vom Sammeln böhmischer Überfanggläser, über sein lebenslanges Interesse für Edelsteine aller Arten, über das Lösen von Kreuzwort- und anderen Rätseln (diesem Kapitel verdanke ich bspw. meine Kenntnis des »Ænigmatias« von Franz Brentano — enthaltend fürwahr »enigmatische« Rätselnüsse der Extraklasse!), über das Reisen und das Lesen (zu dem noch später mehr), über das Gärtnern, und, natürlich, die Tierbeobachtung. Und wer will es einem Richard Katz verdenken, daß er (mit einem so prägnanten, zu tausendjährigen Zeiten so verdächtigen Tiernamen erblich bedacht!) gerade nicht den Katzen, sondern vielmehr den Hunden und den Papageien seine innigste Aufmerksamkeit und Zuneigung schenkte! Nicht einmal ein ausgewiesener Katzen-Fan wie ich brächte da einen Vorwurf übers Herz ...

Meine persönliche Passion für Richard Katz verdanke ich meiner Mutter, die sein entzückendes Gartenbuch (ja natürlich ist es auch das, aber wie immer bei Katz, eben noch viel mehr!) »Übern Gartenhag« (1961) wohl bald nach dem Erscheinen bekommen haben muß, denn ich weiß, daß ich es zum ersten Mal bereits zu einer Zeit las, als der Autor noch am Leben war (wie ich später feststellte). In meiner Pubertät und Studienzeit glitt Richard Katz, zugegeben, etwas aus meiner Wahrnehmung (da begeisterte ich mich für so disparate Autoren wie Fontane, Turgenjew, Nietzsche, Conrad, George, Kraus, Hofmannsthal, Rilke, Nabl, Benn, Tucholsky, Jünger oder Peyrefitte!) und erst viele Jahre später, als ich in einem Antiquariat zufällig (und für einen Pappenstiel!) auf seine »Steckenpferde« stieß, erkannte ich, daß er nicht nur eine Marotte meiner sehr belesenen Mutter war, die ihn zeitlebens schätzte (obwohl sie nur dieses eine Buch von ihm besaß, das sie dafür wieder und wieder las!). Immer aufs Neue entzückte sie sein anekdotischer Charme, mit dem er — scheinbar vom Hundersten ins Tausende kommend — ein ansonsten vielleicht ermüdendes Thema witzig zu unterbrechen versteht. Blättern wir einfach im Kapitel über Pilze ...
Meine Mutter ließ nur drei Pilze gelten: Herrenpilze, Birkenpilze und Pfifferlinge. Mochte der Markt von Morcheln, Lorcheln, Ziegenlippen, Butter-Röhrlingen und Rotkappen überfließen: durch ihre Küchentür passierte keiner.
So war ich erzogen worden, und so hielt ich es auch, bis mich ein befreundetes Berliner Ehepaar in Locarno besuchte. Der Mann ist im Hauptberuf Professor für Architektur, was seine Frau das Leben erschwert, weil er sehr reizbar wird, wenn er über Bauplänen brütet, es ihr aber erleichtert, wenn er seiner Liebhaberei nachgeht: Pilze zu sammeln (was ihrem Wirtschaftsgeld zugute kommt!) und sie selbst zuzubereiten (was ihr Freizeit gibt; denn wenn er das tut, schließt er die Küche von innen ab).
Als die beiden meine Logiergäste waren, zeigte ich ihnen selbstverständlich zuerst den Garten. Bei den Obstbäumen merkte ich, daß er gar nicht zuhörte, als ich ihm das Reineclauden-Bäumchen pries, von dem ich mir einbilde, daß es die dicksten Pflaumen bringt, die es gibt. Als ich ihm ansehen wollte, ob er mir das glaube, sah ich nur sein Hinterteil. Tief unter dem Bäumchen kauerte er im Rasen.
»Das lassen Sie stehen?!« rief er mir von unten zu und reichte mir drei große grauschuppige Pilze, die ich nur deshalb nicht beseitigt hatte, weil sie mit breitem Hut auf langem Fuß ausgesprochen dekorativ wirken. »Das lassen Sie stehen?!« wiederholte er vorwurfsvoll.

Hier möchte ich etwas einfügen, was eigentlich nicht hergehört:
Ich kannte einen deutschen Verleger und schätzte ihn, weil er zwei meiner Bücher, die ich vor Jahrzehnten geschrieben hatte, als »Taschenbücher« zu je fünfzigtausend Exemplaren herausgebracht hat. Ernst Rowohlt hieß er und ist inzwischen leider gestorben. Jung aber war er ein Kerl wie ein Haus, ein richtiger Bremenser, groß und stark und lebensfroh. In jener fernen Zeit haben wir viel Burgunder miteinander getrunken, und wenn er sich richtig vollgeschluckt hatte, tat er ein übriges: er zerbiß sein Weinglas und schluckte die Splitter. Man mag das glauben oder nicht: es ist wahr. Ich habe es selbst gesehen, und auch andere können es bestätigen. Als Glasesser war er fast so bekannt wie als Verleger. Einmal hatte er sein Burgunderglas so gründlich zerkaut, daß nur noch der Stiel auf dem Tisch stand. Auf den wies ein Zechkumpan hin und fragt: »Das Beste lassen Sie stehen?«

Daran erinnerte mich die Frage meines Architekt-Freundes, als er sich, drei graue Riesenpilze in der Hand, wieder aufrichtete.
»Sie stehen doch so hübsch im Rasen«, entschuldigte ich mich. »Wenn sie auch giftig sind ...«
»Giftig?!« donnerte er mich an, als hätte ich die Kirche geschmäht, von deren Bau er sich bei mir erholte. »Das sind doch Speisepilze par excellence! Schirmlinge sind das, Sie Ignorant! Parasolpilze! Die brate ich uns heute zum Mittagessen! Frisch schmecken sie am besten.«
Vergebens gab ich ihm zu bedenken, daß die Bratröhre schon von einem Poulet besetzt sei. »Was ist ein Poulet gegen Schirmlinge!« fertigte er mich ab und lief die Treppe hoch in die Küche.
Von fernher hörte ich meine Wirtschafterin ihre Ofenröhre verteidigen. Als ich hinkam, hatte er sie überfahren wie einen widerspenstigen Polier auf dem Neubau. Hilflos rang sie die Hände vor der Küche, aus der er sie vertrieben hatte.
Nach der Suppe gab es also gebratene Schirmlinge statt Poulet. Während er und seine Frau sie aßen, hielt ich mich an Brot und Wein, um abzuwarten, wann sie in Krämpfen niedersinken würden. Da nichts dergleichen geschah, aß auch ich sie, und obzwar mir ein Poulet lieber gewesen wäre, muß ich zugeben, daß sie gut schmecken. Seither sind sie mir nicht nur als Dekoration willkommen.
(Übern Gartenhag, S. 213ff.)
Ich weiß, offen gesagt, nicht, wie oft ich alleine schon »Übern Gartenhag« gelesen habe! Vollständig durchgelesen — sicherlich schon zehnmal, und immer wieder kann mich ein »neu entdeckter« Absatz begeistern, dessen Pointe, dessen treffende Charakteristik ich letztes Mal einfach überlesen haben mußte. Jene Gelegenheiten ungeachtet, wenn ich beispielsweise auf den noch immer nicht fertig werden wollenden Sonntagsbraten wartend (und gut beraten, meiner Frau in solchen Momenten höchster Not nicht in die Quere zu kommen!), in der Bibliothek ein paar Absätze oder Seiten so genußvoll durchblätterte, daß das knapp schallende Aviso »Angerichtet!« aus dem Eßzimmer dann noch durch ein ungehalten maulendes »Na, wird's heute noch? Wozu hetze ich mich eigentlich so ab?!« gefolgt werden mußte ...

Richard Katz ist ein Schriftsteller von geradezu staunenswerter Stilsicherheit! Kaum jemals ertappt man ihn bei einer Schludrigkeit des Ausdrucks, bei einem schiefen Bild, bei einem abgeschmackten Vergleich. Obwohl er als Journalist begonnen hatte, fehlt seinem Stil ganz und gar dieses gefällig-routiniert Geschwätzige, das den Journalistenstil so oft kennzeichnet. Seine Bücher sind in einem schwerelos dahinperlenden, und doch nie langweilig werdenden »Plauder-Stil« gehalten, der denkbar wenig mit selbstgefälliger Inszenierung »Hach, wie bin ich doch cool!« à la Kisch, Tucholsky & Co., dafür aber viel mit der vornehmen Gesinnung des Theaterrezensenten Fontane zu tun hat (der bekanntlich auch »von Beruf« Journalist war — nur eben: was für einer!). Und dessen »Stechlin« plaudert ja fürwahr gekonnt dahin ...

In seinem »Einsamen Leben« widmet Richard Katz eines der Kapitel dem »Bücher schreiben«, und zeigt darin die Schwierigkeiten, die so ein »leichthin geschriebenes« Buch macht:
Die verbreitete Lesermeinung, ein Schriftsteller arbeite um so leichter und schneller, je »genialer« er sei, ist gerade umgekehrt richtig: Begabung und Tempo sind einander verkehrt proportioniert; je stärker jene, desto langsamer dieses. Was allerdings nicht besagen will, langsam arbeitende Schriftsteller seien schon deshalb begabt, aber doch insofern zutrifft, als Schnellschreiberei auf Hudelei deutet. Über die übliche Roman-Schablone der O-Beine (sie sind beisammen, sie gehen auseinander, sie kommen wieder zusammen) läßt sich jährlich ein Dutzend Liebensromane herunterpinseln. Das aber sind betrügerische Bücher, denn statt des Verfassers leidet die Sprache an ihnen. Auf ehrliche Schriftstellerei trifft Thomas Manns Wort zu: »Ein Schriftsteller ist ein Mann, der schwer schreibt.«
Das Schwerste an seiner Arbeit ist es, den Schweiß nicht riechen zu lassen, der in ihr steckt.
Je vollkommener ihm das gelingt, je glatter das Gefüge seiner Sätze, je klarer ihr Gedankeninhalt, umso mehr bestärkt er freilich die naive Lesermeinung, sein Buch sei so mühelos entstanden wie es wirkt. Selbst mancher Kritiker, der es von berufswegen eigentlich besser wissen sollte, verfällt diesem Trugschluß.
»So leichthin und flüssig hingetuscht wie ein chinesisches Aquarell«, lobte ein Rezensent mein Ostasienbuch. Er irrte in beidem. Fast zwei Jahre hatte ich an jenes Buch gewandt, um in ihm einen verworrenen und entlegenen Kulturkreis flüssig zu veranschaulichen. Der zerrissenen Manuskripte waren viele und der gefeilten vier, bevor ich das vierte ins Reine schreiben ließ. So war das Buch entstanden, das der Kritiker »leichthin« nannte.
Wie aber ein »flüssig hingetuschtes« chinesisches Aquarell entsteht, erläutert diese alte chinesische Geschichte:

Es war einmal ein Kaiser von China, der einen berühmten Maler beauftragte ihm auf den Thron einen Hahn zu malen. Der Maler ging und ließ sich ein Jahr nicht blicken. Der Kaiser schickte einen mahnenden Boten. »Ich bin noch nicht fertig,« ließ der Künstler dem Kaiser bestellen und denselben Bescheid gab er nach zwei Jahren. Erst als drei Jahre um waren, stellte er sich ein und tuschte nun von den Augen des Kaisers leichthin und flüssig einen Hahn auf den Thron. — »Auf eine so leichte Arbeit hast Du mich drei Jahres warten lassen?« fragte der Kaiser rügend — doch auch wohlwollend, denn der Hahn war so trefflich gemalt, als lebe er, und dabei doch schöner als irgendein lebender Hahn. — »Komm zu mir, Sohn des Himmels, und Du wirst mich verstehen,« bat der Maler. — Da ließ sich der Kaiser zu dem Maler tragen und sah dessen Haus gefüllt mit lebenden Hähnen, so viel darin Platz hatten, mit kleinen und großen und bunten und einfarbigen; und im Arbeitszimmer des Künstlers sah er einen großen Haufen zerrissenen Reispapiers, auf das Hähne in vielerlei Stellungen getuscht waren. Auch gab es Blätter, die nur einen kleinen Hahnenteil zeigten, einen Fuß etwa oder gar nur eine Feder. — Da ließ der Kaiser alle Hähne wiegen und ihr Gewicht dem Maler in Gold bezahlen. Denn er erkannte nun, daß ein gutes Aquarell zwar leichthin aussieht aber nicht leichthin entsteht. Erst als der Künstler an nichts anderes mehr dachte als an Hähne, und von nicht anderem mehr träumte als von Hähnen, gelang ihm
der Hahn, der würdig war, des Kaisers Thron zu schmücken.

Deshalb war jene Kritik, die mein Buch mit einem chinesischen Aquarell verglich, so irrig in der Annahme wie übermäßig im Lob.
(Katz: Einsames Leben, S. 72ff.)
Natürlich hatte auch ein Richard Katz seine Grenzen — die er freilich in weiser Erkenntnis kaum jemals überschritt! Sein (abgesehen von einem interessanten Kriminalroman) einziger (und durchaus lesenswerter) Roman »Leid in der Stadt« (1937), der die nervenzerrüttende Tätigkeit eines »Sanierers« (wie wir heute sagen würden), der eine heruntergewirtschaftete Zeitung retten soll, mit einem scharf gezeichneten Bild politischer und privater Intrigen bis zum gesundheitlich-psychisch-emotionalen Zusammenbruch des Helden zeichnet, umschifft mit viel Geschick alle Probleme einer räumlichen und zeitlichen Fixierung der Handlung (denn Katz stand, verständlicherweise, nicht der Sinn danach, in der verworrenen Situation seines Schweizer Exils eine explizite Abrechnung mit dem NS-Regime zu machen, sondern läßt seinen Helden mit einer etwas diffus-populistischen »Bauernpartei« politische Gegengeschäfte zum Überleben machen!) — und zeigt bei aller geschickten Handlungs- und Dialogführung: Katz war eben kein »geborener« Romancier! Wo in seinen Reisebüchern Gespräche und Betrachtungen ganz natürlich dahingehen und den Leser in den Bann ziehen, wirkt dasselbe in der Handlungstechnik eines Romanes irgendwie »gewollt«, und verliert dadurch an Überzeugungskraft (so war wenigstens mein Eindruck).

Auch sein Essayband »Drei Gesichter Luzifers: Lärm – Maschine – Geschäft« (1934), in dem er sich, wie der Autor schreibt, auf eine Reise »in die Erkenntnis unserer Zivilisation begibt« (und das Buch deshalb lieber nicht »weltanschaulich« nennen, sondern seinen Reisebüchern zugesellt sehen wollte, wie er im Vorwort schreibt) macht deutlich, daß das quasi »abstrakte« Raisonnement nicht seine Stärke ist. Denn wo er in seinen Reisebüchern platte Vorurteile, Fehlhaltungen, Schiefheiten, sprichwörtliche »Bretter vor dem Kopf« anhand konkreter Erlebnisse kritisiert, gelingt es ihm ungleich unterhaltsamer und zwangloser, den Leser für seinen (fast immer vernünftig-zurückhaltend ausgleichenden) Standpunkt zu gewinnen. Im »Luzifer«, dessen konservative Zivilisationskritik trotz ihrer oft unbezweifelbaren Berechtigung als zu gellend, zu überspitzt wahrgenommen wird, ermüdet man, bewundert vielleicht noch die Verve und Ausdauer, mit der Katz gegen die Windmühlenflügel unserer heutigen Gesellschaft angeht (nein, natürlich: der damaligen Gesellschaft der 20er- und 30er-Jahre — aber vieles, allzu vieles hat nach wie vor, ja sogar noch mehr seine Gültigkeit!), aber man legt dieses Buch letztlich ebenso ermüdet wie skeptisch aus der Hand. Was schade ist — denn gedanklich bringt es (neben, zugegeben, manch eigentümlich verschrobener Sichtweise) viel Wahres und Richtiges! Katz hätte all das (und hat es ja auch, in der Tat, teilweise) in kleinen Portionen seinen Reisebüchern an passender Stelle einschmuggeln sollen ...

Denn was die geballte Ladung an Überredungskraft nicht vermag, das schaffen die Reise-, Garten- und Tierbücher mit ihren zwanglos sich bietenden Beispielen ganz nebenher — die Vermittlung einer humanen Botschaft der Toleranz und Rücksichtnahme — wenn er etwa das letzte, kurze Kapitel seines Sensations-Erstlingswerkes »Ein Bummel um die Welt« lapidar mit »Ergebnisse« überschreibt, und stichwortartig genau diese dem Leser an den Kopf wirft, so z.B.:
Kultur
Zivilisation ist Zusammenzählung materieller Güter; Kultur ist deren Steigerung durch Geist. Deshalb steckt in einer kleinen chinesischen Elfenbeinschnitzerei mehr Kultur als in einem New-Yorker Wolkenkratzer.

Moral
Moral ist geographisch bedingt. (Wie Rasse.) Länder mit Winter, für den gespart sein muß, erfordern Einehe, materielle Verantwortung des Vaters, moralische der Mutter. Der ewige Sommer der Südsee begründet Promiskuität als moralische Übung. »Moralisch« heißt im Grunde »ortsüblich«. Deshalb ist die Prostitution in Europa unmoralisch, auf den Fidschi-Inseln (die weder Nahrungssorgen noch Geschlechtskrankheiten kennen) geachtetster Mädchenberuf. Oder: was Europa »pervers« nennt, billigt Ostasien als landesüblich. — »Sitte« ändert sich mit dem Breitengrad, nicht mit dem Staate, nicht mit der Religion. — Gelderwerb und Sparsamkeit, die uns der drohenden Winter notwendig (und damit »sittlich«) macht, gelten den Polynesiern als Schande. (Malaien schließen Kontraktarbeiter aus der Dorfgemeinschaft aus.) — Wer unsere »Sitten« in anderen Breitengraden predigt, stiftet betrüblichen Schaden. Einehe und »sittliche« Kleidung sind für den Farbigen ebenso gefährlich, wie es für uns Prostitution wäre oder Nacktheit im Dezember.
(Katz: Ein Bummel um die Welt, S. 277f.)
Mag insbesondere letzteres Stichwort (das so apodiktisch, wie es klingt, von Katz wohl nicht gemeint war!) manch moralingesäuerten Christen recht »sauer« aufstoßen, und einen übriggebliebenen Rassenideologen in seiner Meinung vom Unwert des »relativistischen, jüdischen Asphaltjournalismus« bestärken — sei's drum! Es steckt dennoch viel Wahrheit in den Ausführungen. Und sein »Knapper Rat für weite Reisen« aus demselben Werk ist für Welt- und andere große Reisen nach wie vor beherzigenswert! Ich zitiere daraus in der Variante, in der er ihn in seinen »Steckenpferden« wiederholt:
Nur langsame Reisen lohnen. Die Reisezeit verhält sich zum Reiseziel wie der Genuß zur Enttäuschung.

Bedenke, daß du kein Archäologe bist!

Das ideale Reisegepäck wäre eine Zahnbürste im Knopfloch. Jedenfalls genügen für eine mehrjährige Weltreise zwei mittlere Kupeekoffer, denn der Mensch hat nur zwei Hände. Über »Großes Gepäck« freuen sich nur Träger (wo es welche gibt!), Schimmelpilze und Motten.

Es ist wichtig, Englisch zu lernen; noch wichtiger aber ist es, von den Engländern zu lernen: nicht zu mäkeln und es sich vollkommen egal sein zu lassen, was die Leute von einem sagen.

Bedenke, daß du keine Humanitätsanstalt bist! »Mancia«, »Bakschisch« oder wie sonst das Wort Trinkgeld in südlichen oder östlichen Ländern lautet, ist das erste Wort, das die Babys dort lernen.

Reise stets in der obersten Schiffsklasse! Reicht dein Geld nicht für die erste, so wähle ein zweit- oder drittklassiges Schiff! Auf einem Trampdampfer alle Decks zur Verfügung zu haben, ist bekömmlicher, als im Luxusboot aufs überfülllte Deck der Touristenklasse angewiesen zu sein.

Denke gerade auf Reisen an das italienische Sprichwort: An Pferde soll man nicht von hinten herangehen, an Ochsen nicht von vorne und an fremde Frauen überhaupt nicht.

Vor allem: sei reserviert! Der Schwätzer bekommt als Austausch wieder Geschwätz; nur dem Schweigsamen öffnen sich goldene Türen des Vertrauens.
(a.a.O., S. 223f.)
In demselben Werk verbreitet sich Katz auch über seine Lesehobbies: »... gelegentlich Lyrik, oft Biographien — am liebsten Selbstbiographien —, Briefe, Erlebtes also statt Erdachtem, und, je länger, je mehr, Naturkunde«, schreibt er am Ende des betreffenden Kapitels zusammenfassend, widmet davor aber einigen Autoren doch so treffende, soviel Vertrautheit mit ihrem Werk atmende Zeilen, daß man diese einschränkende Selbstcharakteristik nicht ganz glauben mag. So, wenn er etwa über Theodor Fontane schreibt:
Daß ich ihn zuerst zur Hand nahm, datiert weit zurück — bis in meine Studienzeit. Damals hatte mich ein Freund meines seligen Vaters zur gelegentlichen Mitarbeit am Feuilleton der »Vossischen Zeitung« ermutigt, das er redigierte, und mir Anfänger dabei eine rührende Geduld erwiesen, für die ich ihm stets dankbar geblieben bin. […] »Vergessen Sie nicht, was wir dem Andenken Fontanes schuldig sind!« mahnte mich Professor Alfred Klaar, als er mir ein Feuilleton zurücksandte, das nicht einmal sein wohlwollender Korrekturstift solcher Tradition hatte anpassen können. […]

Daß seine Romane gut waren, merkte ich an Vergleichen, weil die deutsche Literatur wahrlich keinen Überfluß an solchen hat. In seiner schlanken Form entspricht der Roman eher der französischen, dickbäuchig der russischen Eigenart. Stendhals »Rot und Schwarz« und Anatole Frances »Aufruhr der Engel« halte ich für die elegantesten Vertreter der Leichtgewichtsklasse, während im Schwergewicht die drei Champions Gogol, Dostojewski und Tolstoi bis heute ungeschlagen sind. Doch im reichlicher besetzten Mittelgewicht internationaler Romanliteratur stellen Fontanes Romane wacker ihren Mann, weil sie die französische Grazie seiner hugenottischen Abstammung mit der in der Tat preußischen Gründlichkeit seiner geliebten Mark Brandenburg vereinen und beide mit der humorigen Melancholie des armen Schluckers würzen, der sich geistig vom Apothekerlehrling zu literarischem Ansehen hoch-, finanziell freilich zu kläglichen Einkünften tiefgearbeitet hat. Als Apotheker hätte er auskömmlich leben können, während er als England-Korrespondent der geizigen preußischen »Kreuzzeitung« und später als Feuilletonredakteur und Theaterkritiker der zwar angesehenen, doch verarmten »Tante Voß« nur kümmerliches Auslangen fand, und seine Romane erst richtig ins Verdienen kamen, als er schon das Zeitliche gesegnet hatte.

Obzwar Fontanes Romane seither Staub angesetzt haben — schimmernder Staub zwar, wie ihn zerriebenes Perlmutt ergäbe, doch Staub immerhin — las ich sie bald nicht nur der »Vossischen Zeitung« wegen, die damals ins splendide Zeitungsimperium der Brüder Ullstein einbezogen worden war. Über zeitgebundene Heldinnen und Helden hinaus stieß ich auf überaschend gültige Beobachtungen und Erkenntnisse. Der Lesezeichen sind viele, die jetzt noch in meinen Fontanebänden stecken. So habe ich über den Einfluß des Milieus auf die Menschen (dessen Ergebnis später die Nazis zur »Rasse« verpöbelt haben) kaum je etwas so Überzeugendes gelesen ...«
(a.a.O., S. 244ff.)
Karl Kraus meint zwar einmal etwas abfällig, daß ein Schriftsteller, der liest, ihm vorkäme wie ein Kellner, der ißt — aber ist die treffend charakterisierende Beobachtung, mit der ein Schriftsteller an einen anderen herangeht, nicht ebensogut ein Zeichen für seine Fähigkeit, Erkanntes darzustellen?

Jeroen Dewulf veröffentlichte in der »virtuellen« Literaturzeitschrift »Sand am Meer« vor Jahren einen Text, den ich damals zwar speicherte, jedoch nicht mehr aktuell im Internet auffinden konnte — ein interessanter Artikel, der sich u.a. auf die recht unterschiedliche Brasilien-Wahrnehmung zweier Exilschriftsteller, nämlich Stefan Zweig und Richard Katz, bezieht. Interessante Nuancen werden erkennbar, und oft erscheint Katz, trotz (oder wegen?) seiner besseren Vertrautheit mit dem brasilianischen Ambiente trotz fühlbarer Sympathie für Land und Leute weitaus skeptischer in seinen Ansichten (und wer weiß, welcher der beiden Schriftsteller wie endete, mag darob etwas überrascht sein). Ich hätte diesen lesenswerten Artikel — der für das heutige Gedenken freilich ein wenig vom Wege abseits führt — gerne verlinkt (sollte ihn jemand finden, bitte um kurze Mitteilung unter »Kommentare«).

Dewulf geht zum Ende seines Artikels »Richard Katz (1888-1968), der vergessene Exilschriftsteller« auch auf die Umstände des fast vollständigen Vergessen-Seins ein und (gestützt auf Hinweise aus einer damals im Entstehen begriffenen Katz-Biographie von Rainer Vettin — ob bzw. wo sie erschienen ist, entzieht sich meiner Kenntnis) erwähnt ein Faktum, welches uns wieder zu seinem Buch »Einsames Leben«, das den Ausgangspunkt dieses meines Artikels bildete, zurückführt: Richard Katz starb unverheiratet, als eiserner Junggeselle — und ohne Nachkommen. Es war dies genau der Umstand, für den er in jenem Buch einem alten, zynischen Sportredakteur der Prager Zeitungsredaktion, in der er seine ersten journalistischen Sporen erwarb, dankend ein kleines, liebevolles literarische Denkmal setzte:
Als ich fünfundzwanzig Jahre alt war, verliebte ich mich heftig in ein neunzehnjähriges, pagenschlankes Mädchen, deren Photo, noch während ich dies schreibe, auf meinem Schreibtisch steht. Nach einiger Zeit enger Befreundung stellte sie mich, wie sich das gehört, vor die Alternative: Heiraten oder Abschiednehmen!
Instinktiv mißtraute ich widerborstiger Einsamer meiner Eignung für die Ehe; doch eine Sehnsucht, die stärker war als mein Instinkt, trieb mich zu ihr. [...]
Gegen meinen warnenden Instinkt heiratssüchtig, kroch ich matt herum, ließ Depeschen, die überaus dringlich waren (denn sie bezogen sich auf die k.u.k. österreichisch-ungarischen Delegationen), unbearbeitet liegen und knurrte den Vormeister der Setzerei an, der von mir Manuskriptfutter für seine Setzmaschinen forderte.
»Trinken Sie Kognak!« grunzte der alte Sportredakteur [...] »Trinken Sie Kognak, der ist gut gegen Kreuzotternbisse und gegen Liebe!« Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er sich in meinem Besuchstuhl rekelte. Vom sonnengebräunten Glatzkopf sehe ich ihn bis zu den großen Füßen, die stets in Fußlappen und Nagelschuhen staken. Strümpfe verachtete er als weibisch und mit den Nagelschuhen pflegte er auf Bahnhöfen, Postämtern und wo sonst er Telegraphiekundige vermutete, ein Zitat aus »Götz von Berlechingen« auf den Boden zu morsen. [...]
»Aber sie will geheiratet sein!« ächzte ich, zu matt, um ihn hinauszuweisen und ausnahmsweise trostbedürftig, »sie will geheiratet sein und ich werde sie heiraten!« »Alle wollen geheiratet sein«, erwiderte er so gleichmütig, als ob nicht vor uns der Metteur von einem Fuß auf den anderen getreten wäre und vor sich hingemurmelt hätte: »Jesus, Maria und Josef! Drei Maschinen habe ich frei und die sprechen übers Heiraten!« — Ich machte mich über die Depeschen her, während mein zynischer alter Freund bemerkte: »Der einzige Vorteil, verheiratet zu sein, ist, daß man seine Freundinnen nicht zu heiraten braucht.« [...]
Als der Metteur endlich mit den Depeschen davongestürzt war, vermerkte der Alte: »Die Tragödie Ihres Lebens wird sein, daß Sie eine Frau nehmen, während Sie eine Haushälterin brauchen.«
»Aber sie ist so charmant!« stöhnte ich.
»Für einen Menschen wie Sie«, erwiderte er mit einer ernsten Eindringlichkeit, die ich sonst an ihm nicht kannte, »taugt keine charmante Frau. Weil Sie nicht charmant sind.«[...]
Er berichtete allerhand über Ehen, die er kannte, und er fragte mich, wie viele glückliche Ehen ich kenne. Als ich gestand, daß es nur eine einzige sei, bemerkte er, es gäbe auch Menschen, die den Haupttreffer mit der Hauptprämie gewinnen, dennoch sei es Torheit, sich darauf zu verlassen. Letzten Endes gewinne die Lotterie immer und der Spieler selten. Frauen, meinte er, gewinnen immer in der Ehe: Unabhängigkeit, Ansehen, Kinder. Ich wandte ein, daß Kinder auch für den Mann ein Segen seien. Er empfahl mir, welche aus dem Waisenhaus zu adoptieren, dort können ich sie mir aussuchen, während ich sonst nehmen müsse, was käme. Auch wisse ich dann wenigstens sicher, daß sie nicht von mir seien.
Nächsten Tags behauptete er, an dieser Stelle hätte ich die Kognakflasche nach ihm geworfen. Daran erinnere ich mich nicht mehr und kann als Tatsache nur vermerken, daß ich nicht geheiratet habe. Sie nicht und auch keine andere.
Sie hingegen heiratete, ohne daß ich einen stärkeren Schmerz verspürt hätte, als ihn gekränkte Eitelkeit verursacht.
Als ich voriges Jahr in Prag einen Vortrag hielt, kam in der Pause eine ergraute korpulente Dame zu mir ins Künstlerzimmer und flüsterte: »Ich bin so froh, dich wiederzusehen!« — »Ich glaube, Sie täuschen sich, gnädige Frau«, stammelte ich und es war eines meiner erschütterndsten Erlebnisse, als sie sich mir als die Frau zu erkennen gab, in der ich vor dreiundzwanzig Jahren meine unentbehrliche Lebensgefährtin erblickt hatte.
Nun war sie verwitwet, hatte zwei Kinder und wollte mit sentimentaler Treue wiederbeleben, was mein väterlicher alter Freund vor so vielen Jahren in Kognak ersäuft hatte. Das war die pagenschlanke Charmante! Ich habe meinen Vortrag zerstreut zu Ende gebracht (»In der Mitte war ein Riß«, bemerkte ein Kritiker richtig).
(a.a.O., Ss. 15-19)
Hatte Richard Katz damit zwar eine seiner innersten Wesensart unvereinbare Lebensform vermieden, so hatte er dann doch an den Folgen seines lebenslang beibehaltenen Entschlusses zu tragen, wie Dewulf schreibt:
All dies führte dazu, daß die Erinnerung an diesen doch recht interessanten Autor rasch verloren ging als Katz 1968 starb. Mit Ausnahme eines seiner Tierbücher wurde seit 1982 kein einziges seiner Werke neu aufgelegt. Auch ein großes Lob von Erich Maria Remarque anläßlich einer Neuausgabe von Katz erwies sich als nutzlos: »Du hast die stagnierende Reiseliteratur revolutioniert, indem du müde Klischees durch die funkelnde Brillanz des gesunden Menschenverstandes zu neuem Leben erweckt hast.« (in: Das Beste von Richard Katz, 1968).
[Kleine Anmerkung zwischendurch: Remarques Lob »müde Klischees durch die funkelnde Brillanz (...) zu neuem Leben erweckt« zu haben — ist dies nicht ein geradezu typisches Beispiel eines schiefen Vergleichs, wie er Richard Katz wohl kaum je unterlaufen wäre? Und ist es nicht der Beweis, daß bei Bestseller-Autoren großer Absatz und großer Stiefel, wie schon Karl Kraus bissig vermutete, nur zu oft zueinander passen?]
Sogar in den Nachschlagewerken über Exilliteratur sucht man meistens vergebens nach seinem Namen. Dazu mag allerdings auch ein postumes Drama beigetragen haben. Nach Katz’ Tod beerbte ihn nämlich sein Sekretär und Freund August-Wilhelm Rabien, dieser aber erlag wenige Jahre später auf dem Weg zum Grab seines Freundes einem plötzlichen Herzschlag. Damit erbten dessen Schwester und Bruder Katz’ Vermögen. Mit der Bibliothek und dem Archiv wußten sie aber nichts anzufangen. Sie boten es der brasilianischen Botschaft in Bern an, die aber freundlich ablehnte. Deswegen wurden die Bücher verramscht, und das Archiv landete vermutlich im Mülleimer.
Wer aus den vielen Hinweisen in seinen Büchern weiß, wie sehr Richard Katz seine umfangreiche Bibliothek geliebt, und mit wie viel Enthusiasmus und Ausdauer er sie — speziell seinen über alles verehrten Goethe! — zusammengetragen hatte, dem muß es wie ein Messer durchs Herz gehen, von solch herostratischer Aktion zu lesen! Jeroen Dewulf schließt seine Würdigung folgendermaßen:
Vielleicht aber bezahlt Katz mit dem Mangel an Anerkennung auch den Preis, nie richtig irgendwo dazugehört zu haben, als Deutschsprachiger war er eben kein »richtiger« Tscheche, als Jude kein »richtiger« Deutscher, als Konservativer kein »richtiger« Exilautor. Offenbar gab es auch in seiner eigenen Biografie zu viele Gegensätze, als daß von einer Harmonie die Rede sein konnte. Nur in seiner Fantasie gelang es Katz manchmal, die Gegensätze seines zerstreuten Lebens harmonisch zusammenzufügen; so zog er in seinen Memoiren eine melancholische Bilanz seines Lebens:
Kann der Mensch zwei Heimaten haben, oder, wie ich, sogar drei? Es scheint, er kann es. Ich bin in dreien glücklich gewesen und unglücklich. Vielleicht ist es unser aller Ziel, nur eine Heimat zu haben, eine gemeinsame: unsere liebe, geduldige Erde, die Palmen und Tannen treibt und vielerlei Kristallbildungen zuläßt...
(Katz: Gruß aus der Hängematte (1958), S. 325)
Richard Katz wird von politisch korrekten Zeitgeistlern freilich sogar seine lebenslange Bewunderung für Gerhart Hauptmann, der mit ihm jahrelang gut befreundet war, vorgeworfen — so, als würde ein Nazi-Flüchtling per Kontakt-Kontamination aus den 20er- und 30er-Jahren zur Unperson, wenn er einen »Nazi-Autor« (als ob Hauptmann das je gewesen wäre!) nicht posthum verdammte ... — Statt daß sie die Größe in beider Verhalten erkennten: die Unbeeindrucktheit, mit der Hauptmann in Locarno mit einem »jüdischen« Emigranten Kontakt beibehielt, ebenso, wie die Großmut von der Seite Richard Katz', der Hauptmann eben nicht vorwarf, aus Nazi-Deutschland nicht in den »besseren« Teil der Welt emigriert zu sein. Wer, wenn nicht ein Opfer der Nazis, hätte dazu mehr Recht? Und wer weniger Recht, ihn dafür zu kritisieren, als wir Nachgeborenen?

Doch lenken wir nochmals zurück auf die fürwahr »facettenreiche« Persönlichkeit unseres Autors! Eine solche Facette wurde weiter oben schon flüchtig erwähnt: seine Liebe für — insbsondere farbige — Edelsteine, die ihn sein Leben lang begleitete! Und was wäre daher passender als Abschluß eines solchen Gedenkartikels, als die »Weiheformel für die Edelsteine an Epiphanie«, die der Priester, wenigstens nach dem »tridentinischen« Ritus — den »Novus Ordo« lernte Katz nicht mehr kennen —, am Dreikönigstag (schon wieder landen wir bei den heiligen Drei Königen!) über die ihm vorgelegten Juwelen zu sprechen hatte, und welche er in seinem Buch in voller Länge übersetzt zitiert:
Gott, allmächtiger Vater, der Du den Menschen Deine Macht auch durch leblose Geschöpfe gezeigt hast, der Du Deinem Diener Moses die Anweisung gegeben hast, am hohenpriesterlichen Gewande das Brustschild der Gottesentscheidungen mit zwölf Edelsteinen zu schmücken und dem hl. Evangelisten Johannes gezeigt hast, wie das himmlische Jerusalem mit Edelsteinen als wesentlichen Sinnbildern der Tugenden aufzubauen sei, wir bitten Deine Majestät demütig, daß Du diese Steine weihen und segnen mögest durch die Heiligkeit und Anrufung Deines heiligen Namens, damit sie, so geheiligt und geweiht, die wirksamen Kräfte erlangen, die ihnen nach der Erfahrung weiser Männer innewohnen. Mögen alle, die sie bei sich tragen, durch sie Deinen mächtigen Schutz und Deine Gnade erlangen durch Jesum Christum ...
Und Richard Katz, durchaus charakteristisch für seine so pietätvolle, und doch so freie Religiosität, fügte noch hinzu:
Uralte Tradition bedingt, kirchliche Weihe erweckt somit in den Edelsteinen »die wirksamen Kräfte, die ihnen nach der Erfahrung weiser Männer innewohnen«. Fürwahr, ein kluger Ausweg aus dem scheinbar unlösbaren Widerstreit zwischen Kirchenglauben und Zauberei. (Steckenpferde, S. 45)
In wenigen Tagen, genauer: am 11. November 2013, wird sich auch der Tod von Richard Katz, der kurz nach seinem achtzigsten Geburtstag in Monte-Muralto, seinem Wohnort bei Locarno, verstarb, zum 45. Male jähren. Vielleicht wird es auch in einem Europa, in dem Transferzahlungen und Rettungsschirme zwischen den Staaten und Völkern »Solidarität« einfordern, und Verbrecherbanden dank der Schengen-Abkommen frei von Palermo bis Lappland reisen können, doch einmal möglich sein, einen bedeutenden Schriftsteller und großen Menschen nicht danach zu beurteilen, ob er zu Hause in Prag die »richtige« Sprache sprach (die Frage, ob er für eine Würdigung die »richtigen« Urgroßeltern hatte, ist inzwischen, Gott sei Dank, obsolet geworden!), sondern ihm nach dem gerecht zu werden, was er leistete mit seinem umfangreichen Lebenswerk: und das waren ohne Zweifel Abermillionen von Stunden qualitätsvoll-unterhaltsamen Lesegenusses für die unzähligen Leser seiner Bücher! Mit einigem Optimismus sollten wir eine solche Entwicklung nicht ausschließen ...

Nur beim dritten Punkt, als Konservativer kein »richtiger« Exilautor gewesen zu sein, wird's mindestens solange scheitern, bis die Hydra der Alt68er-Meinungsmacher verendet ist. Freilich — ob wir das noch erleben werden ... ?

Sonntag, 20. Oktober 2013

»Krise im Pseudo-Kapitalismus«

... betitelt Susanne Kablitz einen — wie bei ihr schon gewohnt! — ausgezeichneten Artikel im »European«. Kein Wort zuviel, und jedes Wort paßt:
Die etablierte Krisenpolitik jagt einem neoliberalen Sündenbock nach. An der ursächlichen Verflechtung, die sich in Bankenrettungen und Staatsverschuldungsorgien zeigt, rüttelt sie nicht – und das bringt auch den Leistungsträger in Gefahr: Die Mittelschicht.

Der ehemalige Wirtschaftsminister und spätere Bundeskanzler Ludwig Erhard würde heute in den Blockparteien wohl als zu ächtender „Rechter“ gelten. Als Anti-Europäer, dem man den Austritt aus der Partei nahe legen würde, eben wie das Hans-Dietrich Genscher mit Frank Schäffler derzeit praktiziert. „Die FDP steht für Europa und den Euro. Wer das nicht akzeptiert, sollte sich fragen, ob er bei uns noch richtig ist“, so die Worte, die er dem einzigen Mann in der gerade kläglich untergegangenen ehemaligen liberalen Partei an den Kopf geworfen hat, der sich offen gegen den Euro-Wahnsinn ausgesprochen hat.

Ludwig Erhard würde sich im Grab umdrehen, wenn er erleben müsste, wie weit „Experten“ sich inzwischen von jeglicher Wirtschaftskompetenz verabschiedet haben und dem Rückgrat der Gesellschaft – dem Mittelstand – jeden Tag mehr die Luft zum Atmen abschnüren. Erhard hat keineswegs Wunder vollbracht, er hat lediglich neoliberale Wirtschaftspolitik betrieben. Das heißt – gemäß den Worten des Sozialdemokraten Karl Schiller – so viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. In den Altparteien ist volkswirtschaftliche Vernunft hingegen kaum noch vorhanden.

In der Tat war Erhard ein „Neoliberaler“, ein Begriff, der besonders „von den Linken“ als Kampfvokabel verwendet wird, ohne dass diese überhaupt wissen, was „neoliberal“ bedeutet – nämlich ein um das Sozialstaatsprinzip modifizierter Liberalismus, eben die Soziale Marktwirtschaft. Es wird heute aber so getan, als bezeichnete dieser Begriff eine Art Raubtierkapitalismus, was doppelt falsch ist. Bedauerlicherweise sind aber die „Liberalen“ in unserem Land derart inkompetent, dass sie selbst nicht mehr wissen, was „neoliberal“ bedeutet, sodass inzwischen selbst aus der Partei Erhards gegen den Neoliberalismus gewettert wird und somit anscheinend niemand mehr weiß, warum es ihm eigentlich immer noch gut geht.
(Hier weiterlesen)
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Frau Kablitz!


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P.S.: auf dem Blog der ebenso sympathischen wie kompetenten Autorin findet sich aktuell übrigens eine Serie von lesenswerten Artikeln unter dem Titel »Ein Mann — ein Wort!«: Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4.

Samstag, 19. Oktober 2013

Heute vor 100 Jahren


... also am 19. Oktober 1913, wurde in Wien im Beisein Seiner Kaiserlichen und Königlichen Apostolischen Majestät, Franz Joseph I, das Wiener Konzerthaus mit einem Festkonzert des Wiener Concertvereins (der heutigen Wiener Symphoniker) eröffnet, und zwar mit zwei Werken, die quasi als Symbole für das »Alte« und »Neue« in der Musik stehen sollten: von Richard Strauß erklang das eigens für diesen Zweck geschaffene »Festliche Präludium« op. 61, daran schloß sich Beethovens 9. Symphonie. Über letztere braucht man nicht viel Worte zu verlieren — sie darf (auch abseits ihres Mißbrauchs als »Europa-Hymne«) als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Beim »Festlichen Präludium« von Richard Strauss ist es wohl anders — man begegnet ihm eher selten im Konzertsaal, und selbst auf Youtube sind der Aufnahmen nicht überwältigend viele. Eine sicherliche klassische Interpretation des Werkes ist die von Leonard Bernstein mit dem New York Philharmonic Orchestra:


(wer das Werk statt dessen in aufnahmetechnisch besserer Version, dafür mit abgespeckter Orchesterbesetzung und vom Dirigenten wie unter Valium gesetzt hören will — das Qatar Philharmonic Orchestra unter Michalis Economou macht's möglich).

Ohne Zweifel ist das »Festliche Präludium« nicht zu den höchst-inspirierten seines genialen Komponisten zu zählen, auch wenn das Verdikt eines Youtube-Kommentators:
... this empty nonsense is really a terrible example of his work -- it has a sort of masturbatory pomposity that rather typifies the silly megalomania of Imperial Germany on the brink of WWI. The things great artists will do for money!
doch ein wenig zu harsch anmutet. Richard Strauss war eben scheints überhaupt nicht damit gesegnet, an Auftragskompositionen zu arbeiten — sie sind ihm eigentlich so gut wie alle eher »danebengelungen«: von den recht banalen Einzugs- und Festmärschen, die der Hofkapellmeister Strauss für Wilhelm II fabrizierte, angefangen, über den eher unsäglichen Taillefer (den er zwar ohne ausdrücklichen Auftrag, aber eben als pflichtschuldiges »Dankeschön« für das Ehrendoktorat der Universität Heidelberg »zusammendokterte«) bis hin zur Olympia-Hymne von 1936 und zur Japanischen Festmusik (1940). Nun, nicht jeder kann eben seiner Muse kommandieren (und das ist vielleicht auch gut so!) ...

Nicht überliefert ist, was Seine Apostolische Majestät damals zu alledem sagten. Vermutlich sein stereotypes: »Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut« (gedacht mag er eher haben: »Mir bleibt doch nichts erspart!«). Kaiser Franz Joseph war bekanntlich eher endenwollend musikalisch begabt ... dennoch wird ihm Beethovens Neunte wohl gefallen haben — aber ob die chromatisch getönten Orchesterwogen eines Richard Strauss seinen Geschmack trafen, darf füglich bezweifelt werden.

Heinz Piontek stellte sich 1973 in seinem Buch »Helle Tage anderswo« (ein stimmiges Bändchen von Reise-Essays) anläßlich einer Wien-Reise, damals in den 60er-Jahren, die Frage, warum die Österreicher so (ich glaube, er schreibt sogar: abgöttisch) an diesem »ordensgeschmückten alten Herrn« hingen, der doch zeitlebens »ohne Fortüne« gewesen sei! Es ist dies schon von einen Österreicher und für Österreicher kaum zu beantworten — Ausländer stehen hier wohl vor einem unenträtselbaren Mysterium.

Noch heute wird, wenn man hierzulande einfach »vom Kaiser« spricht, kein anderer als Franz Joseph gemeint. Seine Frau Elisabeth hingegen wird nie mit derselben Selbstverständlichkeit als »Die Kaiserin« bezeichnet (man sagt »die Sissi«, oder formeller »Kaiserin Elisabeth«), und selbst Kaiserin Maria Theresia wird, trotz ihrer unleugbaren Popularität bis heute, wohl stets »Maria Theresia« (mit oder ohne »Kaiserin«) genannt.

Vor allen Vorfahren und Nachkommen ragt Franz Joseph als »Der Kaiser«, obwohl er genau genommen eben nur ein »ordensgeschmückter alter Herr ohne Fortüne« war, weit heraus an Bekanntheit und Beliebtheit. Bis heute ... oder wenigstens: bis vor einigen Jahrzehnten — bevor die »Generation Geschichtslosigkeit« begann, die über den handelsüblichen Lügen der Zeitgeschichte, die ihr im »Geschichtsunterrricht« eingetrichtert werden, keine Ahnung mehr hat, was auch nur vor hundert Jahren tatsächlich geschah. Beispielsweise die Eröffnung eines Konzerthauses durch einen ordensgeschmückten alten Herrn ...

Freitag, 18. Oktober 2013

Zum 18. Oktober 1813

... hat der Blog »Silvæ« einen lesenswerten Artikel über Prof. Henrich Steffens verfaßt. Gediegen professoral — so »von Professor zu Professor«, sozusagen ...

Es wäre freilich kein Artikel eines deutschen Professors, der seine Karriere in der sozialliberalen Ära vorantrieb, gäbe es da nicht die scheints unvermeidlichen Schlenkerer und Seitenhiebe — natürlich nur gegen eines Seite, versteht sich! Und so beschert uns der Autor, nach eigenem Bekunden emeritierter Universitätsprofessor, einen leichthin abschätzig sein wollenden letzten Absatz:
Die Geburtsstunde des deutschen Nationalismus bringt uns ein schwieriges Erbe. Wir wissen alle, was Goebbels aus der ersten Zeile (Das Volk steht auf, der Sturm bricht los) von Körners Gedicht Männer und Buben gemacht hat. Bei der Recherche im Internet bin ich auf etwas ganz ➱Seltsames gestoßen. Da wird über den Dichter, der Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte schrieb, gesagt: Dichter, die damals zum Kampf gegen die Franzosen aufriefen, werden von linken Antifanten heute verteufelt. So wollten die Roten schon immer den patriotischen Dichter und Freiheitskämpfer Ernst Moritz Arndt als Namensgeber der Uni Greifswald auslöschen, wie die kommunistenfreundliche ZEIT bereits vor Jahren anmahnte. Derartige Versuche der verblödeten Presse und Studentenschaft gehen bis heute weiter! Aber hallo, was ist denn hier los? Die Klatschenkallis laufen offenbar frei herum. Der Blog heißt ➱Politically Incorrect und hat angeblich jeden Tag beinahe 100.000 Besucher. Das Netteste, was ich über so etwas sagen kann, ist die Hoffnung, dass es ein Satire Blog ist.
Leider glückte es mir nicht (bei den doch eher strengen Sicherheitseinstellungen meines Computers ist halt manches nicht so einfach, wie es bei laxerem Herangehen wäre), folgenden Kommentar auf seinem Blog zu hinterlassen. Nun also quasi als »offener Brief« bei mir:
Sehr geehrter Herr Professor!

Außer daß Sie diejenigen, die die Umbenennung der Greifswalder Uni nicht goutieren, als »Klatschenkallis« verhöhnen — haben Sie auch sachliche Argumente anzubieten? Oder wollen Sie uns etwa erzählen, es wäre gänzlich Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß diese Umbenennung von »antifaschistischer«, d.h. linksextremer & grüner Seite, seit geraumer Zeit massiv vorangetrieben wird? Wenn sich das sogar bis nach Österreich, wo ich lebe, durchgesprochen hat.

Man kann zweifellos die Assoziation zwischen den Freiheitskämpfen von 1813/14 und der jetzt auf einmal bekämpften Benennung einer Universität als zu weit hergeholt ansehen — aber das berechtigt auch Sie, Herr Professor, nicht, deshalb alle, denen das Andenken an Ernst Moritz Arndt offenbar etwas bedeutet, als »losgelassene Klatschenkallis« zu diffamieren. Es sei denn, Sie sind bereit der Tatsache ins Auge zu sehen, daß Sie dann um keinen Deut auf höherem Niveau argumentieren als besagte angebliche Klatschenkallis.

Noch eines: Ihre zu offenkundig bloß vorgetäuschte Hoffnung, es handle sich bei PI um einen Satireblog, nimmt Ihnen niemand ab. PI ist inzwischen so bekannt, daß man eine diesbezügliche Fehleinschätzung wohl nicht glaubhaft vortragen kann (es wäre etwa so, wie wenn ich den »Spiegel« oder die »Zeit« als Satire-Magazin interpretieren wollte).

Damit wir uns recht verstehen: PI steht — im Gegensatz zu Ihrem Blog — schon seit langer Zeit nicht auf meiner Blogroll, und das hat seine guten Gründe: PI braucht meine Werbung nicht, mein kleiner Blog hingegen wäre durch den Linkverweis auf ein doch ganz anders gewichtiges und gewichtendes Internetmedium irgendwie in eine bestimmte Richtung hin »präjudiziert«, und genau das will ich vermeiden. Aber ich gehe deshalb nicht her und bezeichne die Autoren von PI einfach so als einen Idiotenhaufen. Und schon gar nicht aus Ihren Gründen.
Ich bezweifle zwar, daß so ein Hinweis an den Herrn Professor auch nur irgendwas fruchtet — aber meine Leser haben sicherlich ihr gutes Recht zu erfahren, wo ich mit Leuten, auf deren Seiten ich verlinke, nicht übereinstimme.

Der französische Kulturhistoriker Léon Poliakov

.... (ein Name, den man außer in Wikipedia nie gelesen hat, und den man sich auch nicht merken muß) hat seinerzeit herausgefunden, daß die Asterix-Comics
»ein Pfuhl von Rassismus und Ausgrenzung sind. Die Gallier stünden nämlich für die „unverbildete, reine Rasse“, die in den Heften idealisiert würde. Deren Feind ist bezeichnenderweise eine multikulturelle römische Mischpoke, die aus blöden, verweichlichten Tölpeln besteht.«
So informiert uns die Preußische Allgemeine Zeitung im Abspann eines — wie stets — lesenswerten Artikels von Hans Henkel. Nun, dem Befund, daß die Mischpoke der Multikulti-Fans damals wie heute aus blöden, verweichlichten Tölpeln besteht, ist ja schwerlich etwas entgegenzuhalten. Man darf's heute halt nicht mehr offen aussprechen, das ist der ganze Unterschied.
Die „Welt“ stellt dem rassistischen Gallierkaff die „kosmopolitische US-Metropole Entenhausen“ der Donald-Duck-Hefte als leuchtendes Beispiel gegenüber, wo glückliche Tierchen unterschiedlichster Gattungen durch die „von Dagobert Duck gesteuerte Geldherrschaft in Trab gehalten“ würden. So also sieht das Comic-Pendant der einzig erstrebenswerten Gesellschaft aus. Und in der Tat: In Entenhausen hätten sich Ben Bernanke und Mario Draghi auf Anhieb wohlgefühlt. Von den Galliern hätten die beiden dagegen wohl Prügel bezogen. Wo Sie selbst lieber leben wollten, behalten Sie in Ihrem eigenen Interesse besser für sich.
Eben erfahre ich, daß der Wiener Stadtschulrat eine geheime Weisung herausgegeben hat, Migrantenkinder im Deutschunterricht nicht auf »Nicht genügend« zu benoten. Denn das erschwere, ja vereitle geradezu die Integration. Welche »Integration«, bitteschön? — wo doch heute schon jedes zweite Migrantenkind, das in die Schule kommt, überhaupt kein Wort Deutsch kann!

»Wahnsinn und Gelassenheit« betitelt Henkel seinen Wochenrückblick, läßt aber leider offen, woher man bei diesem Wahnsinn allerorten noch die Gelassenheit hernehmen soll ...